Erst nachdem die Tödin in sein Leben tritt, wird der Jedermann von Lars Eidinger in Michael Sturmingers Inszenierung zum Charakter. Dann überzeugt er - als Spielball der sämtlich weiblichen theologischen Instanzen. Eine schwierige, aber interessante Deutung.
Im Gegensatz zum „Hiob“ und zum „Faust“ wird im „Jedermann“ nicht gewettet, das heißt, Gott und der Teufel müssen einander nicht begegnen. Das erlaubt, dass in Michael Sturmingers zweiter „Jedermann“-Inszenierung, die heuer im zweiten Jahr läuft, Mavie Hörbiger sowohl Gott als auch den Teufel spielt. Das mag theologisch aufregend sein, stückpraktisch bedeutet es nicht viel: Als weißhaarige und -bärtige Göttin thront Hörbiger ganz oben auf dem Bühnengerüst und hat nicht viel zu sagen, als Teufelin hüpft sie virtuos durch die ungerechte Welt, in der die guten Werke – obwohl sie bei Sturminger tatsächlich im Plural auftreten – am Schluss nicht wirklich katholisch vom Glauben übertrumpft werden.
Spannender ist die zweite Doppelbesetzung: Mirco Kreibich ist sowohl der Schuldknecht als auch der Mammon, zuerst also das Opfer des Kapitalismus, dessen Essenz, dem Geld, es in geradezu Marxscher Diktion „ein verflucht und zaubrisch Wesen“ zuschreibt, dann genau diese Essenz. Mit wild geschminkten Augen, einen Fettanzug mit skurrilen Schlappbrüsten am Leib. Genau diesen Fatsuit hat Lars Eidinger als Jedermann getragen, bevor sein Leben die unerfreuliche Wendung zum Tod genommen hat, von der Hofmannsthals Stück erzählt.