Immobilienkrise, Proteste und Jugendarbeitslosigkeit: Viele Chinesen spüren die Folgen der angespannten Wirtschaft. Sie birgt enorme soziale Sprengkraft. Präsident Xi Jinping steht vor seiner größten Prüfung.
Was Tausenden Kleinsparern in der zentralchinesischen Provinz Henan widerfahren ist, dürfte ihre Weltsicht von Grund auf erschüttert haben. Seit Monaten bereits haben sie keinen Zugriff mehr auf ihre Konten, nachdem diese von vier ländlichen Banken nach einem mutmaßlichen Spekulationsskandal eingefroren wurden. Doch mindestens ebenso empörend war die Reaktion der Zentralregierung: Diese hielt sich lange Zeit damit zurück, den gebeutelten Opfern eine Garantie für ihre Ersparnisse zu geben. Stattdessen ließ sie die aufgebrachten Leute, die sich zu Protesten versammelten, kurzerhand von Sicherheitspolizisten abführen, von örtlichen Schlägertrupps verprügeln – und die schockierenden Zeugenberichte in sozialen Medien umgehend zensieren.
Bei dem Bankenskandal in Henan mag es sich zwar volkswirtschaftlich gesehen nur um eine vergleichsweise geringe Summe handeln. Dennoch rüttelt er eine Urangst der Bevölkerung wach. Seit Beginn der wirtschaftlichen Öffnung des Landes wird die Gesellschaft schließlich vor allem von einem stillen Übereinkommen zusammengehalten: Die Chinesen geben bereitwillig ihren Anspruch auf politische Mitsprache ab, solange die Parteiführung in Peking für eine stete Verbesserung des materiellen Lebensstandards sorgt. Und jahrzehntelang ging der Plan auch exzellent auf: Von 1978, dem Beginn der Reformpolitik Deng Xiaopings, bis zum Amtsantritt Xi Jinpings im Jahr 2013 ist das Bruttoinlandsprodukt Chinas um mehr als das 64-Fache gestiegen.