Higg-Index

Green-Washing? H&M in den USA verklagt

Die H&M-Filiale am Times Square in Manhatten, New York.
Die H&M-Filiale am Times Square in Manhatten, New York.Segar/Reuters
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Nachhaltige Materialien, Kreislaufwirtschaft, Recycling. Geht es nach den Werbekampagnen des Textilunternehmens H&M, könnte die Ökobilanz der Textilkette nicht besser sein. Eine Sammelklage in New York soll nun Licht auf unlautere Geschäftspraktiken werfen.

Fair, inklusiv, transparent, ohne jegliche Chemikalien. Schaut man sich die Webseite des Textilriesen H&M an, scheint das Unternehmen von Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein allein getrieben zu sein. H&M kann Marketing: Bereits seit 2013 werde in großem Stil recycelt, bis 2025 sollen alle Produkte des Unternehmens zirkulär produziert werden - soll heißen, aus alten Kleidungsstücken sollen neue entstehen, ganz ohne zusätzliche Ressourcen zu verwenden.

Diese Erläuterungen, zu finden auf der US-Version der Webseite, zielen nicht nur darauf ab, das Unternehmen ins rechte, also grüne Licht zu rücken. Denn eigentlich ist H&M - an Verkaufszahlen gemessen - der zweitgrößte Textilkonzern weltweit, das Produktionsvolumen wird auf 3 Milliarden Kleidungsstücke pro Jahr geschätzt. Vielmehr seien die Behauptungen unlauter Wettbewerb - zumindest einer Klage zufolge, die gerade beim Bundesgerichtshof von New York vorliegt.

Denn Nachhaltigkeit und umweltbewusste Produktionsbedingungen appellieren an die immer größer werdende Gruppe von Konsumentinnen und Konsumenten, die bereit sind, für nachhaltige Produkte mehr Geld hinzulegen. Chelsea Commodore zufolge, die die Sammelklage gegen das Modeunternehmen eingereicht hat, würden falschen Informationen bezüglich Nachhaltigkeit in Werbung und Marketing bewusst eingesetzt. H&M verstoße somit gegen das allgemeine New Yorker Wirtschaftsrecht, so die Klage.

Greenwashing mit Umwelt-Profilkarten

Konkret richtet sich der Vorwurf gegen „environmental scorecards“, eine Art Profilkarte, die das jeweilige „Nachhaltigkeitsprofil“ eines Produkts abbilde. T-Shirts, Kleider, Cardigans und andere Kleidungsstücke, die in der Kategorie „Conscious Choice“ verkauft wurden (auf Deutsch etwa „bewusste Wahl“), sind da mit besonders niedrigem Wasserverbrauch, Wasserverschmutzung, Verbrauch von fossilen Brennstoffen oder allgemeinem „Erderwärmungspotenzial“ „im Vergleich zu konventionellen Materialien“ verglichen worden. Diese Profile seien in großem Stil in die Verpackung, Beschriftung und das allgemeine Marketing eingeflossen. Wie eine investigative Recherche des Onlinemediums „Quartz“ aufzeigte, waren diese Informationen nicht nur irreführend, sondern teilweise sogar schlichtweg falsch: Teilweise wurden Daten des dahinterliegenden Higg-Indexes einfach konträr wiedergegeben: Ein Kleid, dass in der Produktion sogar 20 Prozent mehr Wasser verbrauche, als der branchenweite Durchschnitt, war im Umwelt-Profil mit 20 Prozent weniger angeführt.

Die Nachhaltigkeitsprofile sind nach Veröffentlichung der Recherche vom Netz genommen worden, eine Untersuchung und Überarbeitung der Methodik des - nicht nur von H&M verwendeten Higg-Index - wurden angekündigt. 

Der Higg-Index

Der Higg-Index ist ein in Bewertungsskala, die nicht nur von H&M verwendet wird. Bereits 2011 wurde sie von einem Zusammenschluss großer Textilunternehmen wie eben H&M, Walmart, Nike, Levi's und Patagonia in Auftrag gegeben, und von der Organisation Sustainable Apparel Coalition (SAC) gemeinsam mit dem Technologieunternehmen Higg entwickelt.

Ab 2021 wurde ein Interface direkt für Konsumentinnen und Konsumenten entwickelt - einzelne Kleidungsstücke sollten hier nach CO₂-Emissionen, Wasserverbrauch, Wasserverschmutzung und dem Verbrauch fossiler Energien beurteilt werden. H&M verwendete ab Mai 2021 entsprechende Profile sowohl auf der US-Version der Webseite, als auch auf Versionen europäischer Länder.

Umweltorganisationen und Verbraucherschutzorganisationen haben den Index immer wieder kritisiert - in Norwegen darf er gar nicht verwendet werden. Fehlende Transparenz und Unabhängigkeit, sowie eine zu positive Bewertung von synthetischen Stoffen gehören zu den häufigsten Kritikpunkten.

Allgemeines Green-Washing

Die öffentlich einsehbare Klage von Commodre nimmt aber nicht nur auf die verwendeten Daten aus dem Higg-Index Bezug, auch andere Methoden des Green-Washing werden adressiert. Unter anderem würde auch falsche Auskunft über die Verwendung von nachhaltigen Materialien der Nachhaltigkeits-Kollektion ("Conscious Collection") gegeben. H&M würde den Eindruck vermitteln, dass das hauseigene Recyclingprogramm aus alter Kleidung problemlos neue produzieren würde und keinerlei Textilprodukte mehr auf einer Müllhalde landen würden, und das, obwohl es für einen Großteil der Produkte, allesamt aus synthetischem Gemisch, noch keine kommerziell nutzbare Recyclingmöglichkeit gebe.

Derzeit liegt die Klage vor dem New York Federal Court - stimmt das Gericht einer Sammelklage zu, können weitere geschädigte Konsumentinnen und Konsumenten sich der Klage anschließen. H&M hat die Klage bisher nicht kommentiert.

New York könnte außerdem bald zum ersten Bundesstaat werden, in dem Modeunternehmen für die Produktionsbedingungen ihrer Kleidung haften müssen. Der sogenannte „New York Fashion Act“, derzeit verhandelter Gesetzesentwurf, würde bedeuten, dass Unternehmen die soziale Sorgfaltspflicht gegenüber Mensch und Umwelt wahrnehmen müssten. Verwendete Materialien, ihr Einfluss auf die Umwelt und die Arbeitsbedingungen von Textilarbeiterinnen und -arbeitern müssten somit transparent offengelegt werden.

(chrima)

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