Der Start einer Amazon- Serie ist ein guter Anlass, „Der Herr der Ringe“(wieder) zu lesen. Sechs Thesen, die alte Vorurteile entkräften – und zeigen: Dieses Epos gehört in den Kanon der Weltliteratur.
Achtung: Es geht hier um Zauberer, Zwerge und Drachen. Um den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, mit Schwertern ausgefochten. Kaum um Liebe, gar nicht um Sexualität, zentrale Themen in fast allen großen Romanen. Auch die Religion fehlt in J.R.R. Tolkiens „Der Herr der Ringe“. Diese Trigger-Warnung lässt viele selbst ernannte Wächter im Dienste belletristischer Hochkultur pikiert den Grenzbalken herunterlassen: Das gehöre nicht ins Königreich der Literatur, es sei Kinderkram, trivialer Fantasy-Kitsch, mit einer Figurenzeichnung in Schwarz-Weiß, sogar im Wortsinn, und damit auch noch übel rassistisch. Aber, hinterhergeseufzt, eben nach dem Geschmack der Massen. Denn das Steckenpferd eines verschrobenen Oxford-Philologen erwies sich schon bald nach dem Erscheinen seiner Trilogie 1954 als eines der kommerziell erfolgreichsten Bücher des Jahrhunderts: 150 Millionen Leser können nur irren.
Die klingelnden Kinokassen nährten die Skepsis später weiter. Und auch die im September startende Amazon-Serie zur Vorgeschichte der Abenteuer von Hobbit Frodo und seinen Gefährten lässt viele aufs Neue die Nase über Tolkien rümpfen. Statt ein Epos zu lesen, das sich längst ins kollektive Gedächtnis der Menschheit eingebrannt hat. Und sich nach vollbrachter Lektüre staunend zu fragen: Was für ein Magier der Worte war da am Werke?