Vorwürfe gegen Ulrich Seidl. Weder das lustvolle Canceln noch das reflexartige Verteidigen des Genies ist hilfreich.
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Philipp Fleischmann (*1985, Hollabrunn) ist Filmemacher und Bildender Künstler. Er spielte als Jugendlicher in einer ORF-Serie.
Sollten Sie diese Zeilen lesen, so hat dies mit einem Facebook-Post zu tun, in dem ich meine Gedanken zum Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen am Filmset niedergeschrieben habe: Ein Posting in Anbetracht der aktuellen Diskussion und ausgelöst von den medial verbreiteten Vorwürfen zu angeblichem Fehlverhalten im Rahmen einer Produktion von Ulrich Seidl.
„Die Presse“ hat mich um einen Gastkommentar gefragt, was ich gleich verneinen muss. Weder mein Facebook-Post noch diese Zeilen nehmen dazu Stellung. Ich weiß nicht mehr als Sie und würde es mir nicht anmaßen, mich zu einer heiklen und für alle Beteiligten schmerzhaften Situation konkret zu äußern.
Was ich jedoch getan habe und tun möchte, ist mir anzusehen, was eine solche Meldung auslöst und wie wir als Öffentlichkeit damit umgehen. Ich gehe davon aus, dass wir uns gesellschaftlich darauf geeinigt haben, dass Vorwürfe eines Übergriffs am Arbeitsplatz ernst genommen und behutsam bearbeitet werden müssen, genauso wie es zu keiner voreiligen Verurteilung der Beschuldigten kommen darf. Am Filmset arbeiten oft Kinder und Jugendliche mit – ja, sie arbeiten. Oft über Monate, Jahre. Und oft stehen die jungen Menschen erstmals vor einer Kamera, ohne Erfahrung, ohne Ausbildung.