Aufregung um Annie Ernaux' Israel-Kritik

French novelist Annie Ernaux winner of 2022 Nobel Prize in Literature
French novelist Annie Ernaux winner of 2022 Nobel Prize in LiteratureREUTERS
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Die Literatur-Nobelpreisträgerin unterstützt die BDS-Kampagne. Ist sie deshalb eine Antisemitin?

Als Peter Handke 2019 den Literaturnobelpreis erhielt, flammte die Kontroverse um seine Einstellung zum Jugoslawien-Krieg wieder auf. Eine so heftige und aufgeregte Debatte wird um die heurige Gewinnerin (noch) nicht geführt. Empörung gibt es aber sehr wohl um die französische Schriftstellerin Annie Ernaux. Vor allem in Deutschland wird diskutiert, ob ihre Unterstützung der Israel-Boykottbewegung BDS Zeichen einer antisemitischen Gesinnung ist.

Den Anstoß dazu gab nach Bekanntgabe des Nobelpreises ein Artikel der „Jerusalem Post“. Demnach hat Ernaux mehrere Briefe der Bewegung unterzeichnet. 2019 rief sie gemeinsam mit anderen französischen Künstlern zum Boykott des Eurovision Song Contest in Tel Aviv auf. 2021 unterzeichnete sie einen „Brief gegen die Apartheid“, in dem israelische Angriffe auf Gaza aufgezählt wurden (nicht aber Angriffe der Gegenseite) und Israel als Kolonialmacht bezeichnet wurde.

Roger Waters in München unerwünscht

Die BDS-Bewegung will Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren und spricht dem Land das Existenzrecht ab. Von einigen – so etwa auch den Parlamenten von Österreich und Deutschland – wird sie als antisemitisch eingestuft. Die Bewegung selbst bezeichnet sich als lediglich antizionistisch. Ein prominenter Unterstützer ist Pink-Floyd-Mastermind Roger Waters. Er ist zuletzt häufig mit fragwürdigen Aussagen aufgefallen (etwa zum Krieg in der Ukraine) und scheint mit judenfeindlichen Stereotypen zumindest zu kokettieren. Dass er im Mai in der Münchner Olympiahalle auftreten soll, sorgt dort gerade für Aufregung: Der Münchner Oberbürgermeister will das Konzert verhindern. Ob es abgesagt werden kann, muss juristisch erst geprüft werden.

Eine derartige Ablehnung der jüngsten Nobelpreisträgerin ist nicht absehbar. In politischem Protest übt sich Ernaux oft, gerade unterzeichnete sie einen Aufruf zu einem Protestmarsch gegen Macron. Ihre Unterstützung der BDS-Kampagne wollen die meisten deutschen Feuilletons ihr nicht als Antisemitismus auslegen.

Zumal es, so etwa die „FAZ“ am Dienstag, „keine Zeile“ in Ernaux' literarischem, autobiografisch geprägten Werk gebe, auf dessen Basis „ein solcher Vorwurf gemacht worden wäre“.

(kanu)

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