Kunst

Eva Beresin malt sich die Seele aus dem Leib

Sie ist der Shootingstar der neuen Malerei. Eva Beresins Kunst ist ein Mix aus Witz, einer intensiv-intuitiven Malweise und radikal subjektiven Perspektive.

Eigentlich malt Eva Beresin seit vierzig Jahren. Oder vielleicht sogar noch länger. „Ich male, seit ich fünf bin“, sagt sie lakonisch. Und sie tut das bis heute in einer sich gewissermaßen immer mehr beschleunigenden, immer mehr zuspitzenden, immer pointierteren Weise. Seit der einflussreiche New Yorker Kritiker, Künstler und Kurator Kenny Schachter Eva Beresins Arbeiten vor einigen Jahren entdeckte und anfing, ihre Kunst theoretisch und kuratorisch zu begleiten, sind ihre figurativ-grotesken Arbeiten am Kunstmarkt buchstäblich durch die Decke gegangen und haben Eva Beresin zu einem der Shootingstars der jüngsten Vergangenheit gemacht.


Ähnlich beschleunigt sich auch unser Gespräch, geführt am Küchentisch ihres temporären Gastateliers im „Werkstättenhof“, das der Fotograf Peter M. Mayr seit einigen Monaten mit ihr teilt, weil er selbst mit Schreibtisch und Computer eigentlich das Auslangen findet. Für Eva Beresin ermöglichen die hohen, hellen Räume ein befreites Arbeiten und die Umsetzung von Bildformaten, von denen sie lang nur träumen konnte.

(c) Peter M. Mayr

Eine vergleichbare Möglichkeit hatte sie bisher erst einmal dank einer Artist-in-Residency gefunden, die ihr ihre Wiener Stammgalerie Charim im Winter 2021 in der Ankerbrotfabrik zur Verfügung gestellt hatte. Jetzt stehen die Sammler Schlange um ihre Bilder, internationale Private ebenso wie Museen, darunter die Albertina, die vor wenigen Monaten ein riesiges Tableau angekauft hat.


Eva Beresin kommt mit dem Malen kaum nach. Auf ihre jüngste Soloshow bei Charim in der Wiener Innenstadt folgte im November eine weitere bei ihrer zweiten Stammgalerie, Amanita in New York. Für die bevorstehende Vienna Art Week entwickelt sie zudem gerade eine weitere neue Werkgruppe. Diese wird erstmals im Rahmen des kuratierten „Challenging Orders Exhibition Parcours“ präsentiert, ein Format, das die Hauptausstellung in der Festivalzentrale in der Wiedner Hauptstraße 140 satellitenartig um Solopräsentationen in den Ateliers von sieben ausgewählten Künstlerinnen und Künstler erweitert.

Spiegel-Bilder

Eva Beresins durchgängiges Thema sind das Ich und der Mensch, bisweilen tauchen auch Tiere auf – als wären diese lebendigen Wesen ein Spiegel des Ichs, also jener Person, die ihr selbst am nächsten ist, mit dem Wissen und der Bürde der eigenen Geschichte, mit Träumen, Ängsten, Gefühlen – und einer Körperhaftigkeit, der die persönliche Geschichte ebenso eingeschrieben ist wie die Grausamkeiten des 20. Jahrhunderts.

Christine Pichler

Schon als Kind, wenn sie mit den Eltern, die beide den Holocaust überlebten, unzählige Nachmittage im traditionsreichen Budapester Café Gerbeaud verbrachte, war sie fasziniert von den anderen Gästen, beobachtete sie, zeichnete und malte sie. Insbesondere die geschminkten, exzentrisch gestylten älteren Damen hatten es ihr angetan. Radikal und zerrbildhaft tummeln sie sich bis heute auf Beresins Bildern.

In ihrer grotesken Fratzenhaftigkeit erinnern sie an den Belgier James Ensor – oder an Chaim Soutine und Francisco de Goya, die Eva Beresin beide als „absolute Lieblingskünstler“ anführt.
Der Körper fungiert dabei zunehmend als Brennpunkt, je neuer die Arbeiten, umso nackter. Beresin: „Ich beschäftige mich bis heute mit mir und meinem Körper und spüre, wie ich immer mutiger werde. Die Geschichte, wo ich herkomme und wer ich heute bin, ist anscheinend eine Quelle, die nicht versiegt.“

Körper und Geschichte

Einen radikalen Einschnitt bedeutete die Beschäftigung mit dem Tagebuch ihrer 2007 verstorbenen Mutter, Überlebende von Auschwitz und Ravensbrück. Das Nachzeichnen und Sichtbarmachen des Textes eröffnete die Erfahrung intensiver Nähe. Eine Ausstellung 2015 mit namenlosen Bildern nach Fotos der Mutter, vier Jahre später ein Malprojekt, in das Eindrücke einer Reise nach Auschwitz einflossen, halfen ihr, die Familiengeschichte zu verarbeiten. „Das Thema ist präsent, es ist in den Genen“, sagt sie. „Ich möchte jedoch nicht darauf reduziert werden“.

(c) Peter M. Mayr

Die Folie von Eva Beresins Kunst ist vielmehr die Geschichte inklusive der Gegenwart mit dem eigenen Subjekt im Mittelpunkt. Immer wieder kommen Medien unterschiedlichster Natur ins Spiel. Ausgehend von einer großen Sammelleidenschaft, die Zeitschriften- und Magazinfotos, ausgerissene Buchseiten, kunst­historische Abbildungen, MRT-Bilder und Screenshots ebenso umfasst wie Nachrichtenschnipsel, Instagram und unablässig niedergeschriebene Notizen, entwirft sie mit ihrer Malerei Geschichten, in denen sie sich selbst umkreist, ja geradezu umzingelt.

„Ich bin immer drauf, im Unterbewussten male ich immer mich“, sagt Eva Beresin, „ich male, statt zu reden.“ Auch Witz, der oft beißend ist bis hin zum Zynismus, und Selbstironie spielen eine Rolle, äußern sich etwa in übergroßen Händen und Füßen, exzessiver Nacktheit, peinlichen Posen. Der Kritiker Kenny Schachter beschreibt die „Vermählung von Humor und Horror“ bei Eva Beresin als eine „Überlebensstrategie“. Sie selbst nennt ihr eigenes künst­lerisches Coming-out inklusive nackter Selbstdarstellungen eine „sexuelle Revolution“: „Ich male alles, was ich nie tun würde.“

Tipp:

Vienna Art Week. Eva Beresin ist Teil des „Challenging Orders Exhibition Parcours“, 19.  11., 14 Uhr. Voranmeldung auf viennaartweek.at

("Die Presse Schaufenster" vom 11.11.2022)

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