Topmoderne Artillerie und Aufklärung, gepaart mit einer brillanten Zermürbungsstrategie der Ukrainer, führten zum Sieg. Ein perfektes Lehrbeispiel intelligenter Kriegsführung.
Man merkte General Sergei Surowikin den Widerwillen an. „Nach umfassender Bewertung der Lage schlage ich vor, die Verteidigung aufs linke Ufer des Dnipro zu verlegen“, presste der russische Ukraine-Oberbefehlshaber stakkatoartig hervor. „Die Truppen auf einem limitierten Gebiet auf der anderen Seite zu lassen hat keine Perspektive.“ Das meldete der 56-Jährige am Mittwoch Verteidigungsminister Sergei Schoigu in Moskau, was live im TV gezeigt wurde. Keine zwei Tage später nahm das ukrainische Heer die Reste des russischen Trans-Dnipro-Brückenkopfs und die Stadt Cherson kampflos ein. Die letzten Russen waren am Freitag bei Morgengrauen über eine Pontonbrücke über den Dnipro verschwunden.
Es ist nie angenehm, eine Niederlage eingestehen zu müssen. Besonders, wenn man wie Surowikin erst zwei Monate im Amt ist. Aber das dürfte nebensächlich sein. Vielmehr ist die Niederlage militärisch äußerst bitter. Es klingt paradox, aber eigentlich haben die Russen die Schlacht um Cherson nicht verloren: Die Ukrainer konnten zu Beginn ihrer Gegenoffensive Ende August einige Räume zurückerobern, Anfang Oktober weitere. Doch die russischen Linien hielten stand und hätten es wohl noch länger getan.
Artillerie, Artillerie, Artillerie
Es war nicht zuletzt westliche Artillerie, der die Ukrainer den Sieg in Cherson verdanken: etwa die deutsche Panzerhaubitze 2000, Geschütze vom Typ Caesar aus Frankreich, die Krab aus Polen, die amerikanische M777. Aus den USA stammt auch das besonders hart zuschlagende System Himars: ein Mehrfachraketenwerfer von Lockheed Martin mit GPS-gesteuerten Geschossen mit bis zu 80 Kilometern Reichweite. Er kann zudem einzelne ATACMS-Kurzstreckenraketen mit 300 km Schussweite abfeuern.