Mundl wird gezähmt, geht in die Oper und rappt

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Heuer im Kino: „Echte Wiener 2 – Die Deppatn und die Gspritztn“: Sackbauer senior erhält seine gerechte Strafe, wird in die „Gruft“ versenkt, bleibt aber dennoch obenauf –.

Im Burgtheater wird man nur noch wenige finden, dafür beschäftigt der Film reichlich österreichische Schauspieler, vor allem wenn es um Urösterreichisches geht, was nicht nur in Kabarett und Musik, sondern auch beim Film derzeit wieder gefragt zu sein scheint. Auf „Kottan“ folgt „Echte Wiener2“ mit dem mäßig originellen Untertitel „Die Deppatn und die Gspritztn“.

Rekordträchtige 370.000 Menschen sahen vor zwei Jahren den Vorgänger, „Echte Wiener – Die Sackbauer-Saga“; der Kinofilm belebte seinerseits die TV-Serie wieder, die in den Siebzigern für reichlich Erregung gesorgt hatte. Ausnahmsweise waren sich die einfachen Leute mit den besseren Kreisen vollständig einig in ihrer Ansicht, dass dieser Prolet nicht repräsentativ für das Wienerische ist.

Inzwischen findet man die Geschichte lustig – weil die Sprache der Zeit derber geworden ist oder der Mundl bereits im Altwiener Museum sozusagen als Wachsfigur neben Hans Moser prangt? Das darf jeder selbst entscheiden. Mundartlich ist der Mundl missraten, wenn man an Wiener Lieder wie jenes vom Radlfahrer denkt, der mit einem Fiaker zusammenstößt und von diesem in die hohe Schule der Schimpfwörter eingeführt wird: „Du Kaiblhirn, du Plutzerbirn, du marmorierter Kas ...“ usw. usf. Der Mundl mit seinem nervtötenden Repetieren verbrauchter Worte wie „Trottel“ und „Blunzn“ kann mit solch üppigen Blüten lokaler Verbalinjurien nicht mit.

Dafür wird im aktuellen Film eine Brücke zwischen den Schimpforgien des Rap und den wienerischen Schimpforgien geschlagen – das ist originell. Leider gibt es nicht allzu viel Originelles in diesem mit 100 Minuten überlangen Streifen: Die Familie Sackbauer macht eine Erbschaft. Edmund/Mundls Frau Toni will mit ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn nach Irland reisen, um sich um das Grab des dort verblichenen Franzi zu kümmern. Mundl tobt. Doch nachdem die Toni fort ist, stürzt er beinahe ab, treibt sich mit Sandlern herum, isst in der „Gruft“, muss vor einer üppigen Frau flüchten und ist am Ende richtig froh, dass seine „Alte“ wieder da ist. Er geht sogar mit ihr in „Aida“ in der Staatsoper, die ihn zu Tränen und mit seinen 82 Jahren zu ungewohnten erotischen Ideen animiert, die er natürlich im Dunkeln und mit seiner Toni verwirklicht. Auch sonst wird der Fan Running Gags erkennen, die explodierenden Bierdosen und das verunglückte Feuerwerk zum Beispiel. Mundl-Erfinder Ernst Hinterberger hat sich von der Story distanziert.

Den ersten Mundl-Film drehte Kurt Ockermüller, auch er soll beim zweiten Teil ausgestiegen sein. Also übernahm die Regisseurin Barbara Gräftner, Frau des Mundl-Produzenten und Kameramanns Robert Winkler, das Heft, sie erstellte auch die Letztversion des Drehbuchs. Dieses ist teilweise dilettantisch, vor allem in den Nebensträngen: Edmunds Enkel René verliert sein Haus am Spieltisch, findet Arbeit in einer esoterisch bewegten Schule und zurück zu seiner Frau: Holterdipolter werden Bierdosen und Probleme entsorgt. Und anders als beim Kottan Peter Patzaks scheint kein halbwegs welterfahrener Mensch beim Mundl regiert zu haben. Aber es gibt auch Gutes zu sagen: Karl Merkatz ist ein wahrhaft herzerwärmender Mundl, ein Ritter vom „Grund“ ohne Furcht und Tadel, eine Speerspitze gegen Fremdenfeindlichkeit.

Halb lustige Proletenpartie

Als ein afrikanischer Musiker angeblich einen Verstärker gestohlen haben soll, warnt Mundl seinen Urenkel Edi: Seinerzeit, als er noch „Hackler“ war, sei ein Türke zu Unrecht des Diebstahls verdächtigt worden. Als der Schwarze in Mundls Gemeindewohnung auftaucht, ist er durchaus willkommen. Ja, so mögen wir unsere „echten Wiener“, auch wenn's nicht wahr ist.

Andere Akteure sieht man ebenfalls gern: Ingrid Burkhard als leidgeprüfte Toni, Charles Brauer als ihren eleganten deutschen Schwiegersohn Kai Uwe, den alten Krimineser Stanek (Franz Buchrieser), Manuel Rubey als Mundls Enkel. Günter Tolar als pensionierter Philharmoniker und Dolores Schmidinger als esoterische Fini sind ansprechende bizarre Randerscheinungen.

Publikumsliebling Wolfgang Böck (Trautmann) erscheint kurz – als Kommissar – und Erni Mangold ist wieder einmal eine unübertrefflich hinreißende Grätzn. Dieser Mundl ist einerseits rührend, andererseits ärgerlich: Gibt es keine besseren Stoffe, als die Aufreger aus dem vorigen Jahrhundert aufzuwärmen? Man könnte noch weiter gehen: Könnten wir unsere Künstler nicht intelligenter in der weiten Filmwelt vermarkten denn als halb lustige Proletenpartie?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2010)

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