Nicht nur im Tierschützerprozess, sondern österreichweit gibt es für Anwälte Probleme, in die gesammelten Akten einzusehen.
Wien/M. s. Begriffe wie „unerträglich“ oder „unzumutbar“ finden sich im neuen Wahrnehmungsbericht der österreichischen Rechtsanwälte, wenn es um die Möglichkeit der Einsicht in den jeweiligen Polizei- oder Gerichtsakt geht. Die gesetzlich – zugunsten der Verdächtigen – klar geregelte Akteneinsicht sorgt in der Praxis für massive Probleme. Diese reichen von der puren Verweigerung bis zu uneinheitlichem und unberechenbarem Vorgehen der Polizeibehörden.
Dem Problem „Akteneinsicht“ ist im jährlichen Anwältebericht sogar ein eigenes Kapitel gewidmet. Dort wird fairerweise zwar auch auf die vereinzelte reibungslose Abwicklung der Akteneinsicht hingewiesen, aber hauptsächlich wird Kritik geübt. Da heißt es etwa: „In Kärnten gestaltet sich die im Raum Villach scheinbar völlig uneinheitliche Behandlung von Ersuchen um Aktenkopien an die Polizeibehörden als zunehmend unerträglich.“ Die „Verkehrsinspektion des Stadtpolizeikommandos Villach“ würde speziell Lichtbildbeilagen „überhaupt nicht herausgeben“. Auch nicht an den Staatsanwalt. Daher: „Dass die Lichtbildbeilage überhaupt erst im Wege eines Zivil- oder Strafverfahrens durch Anforderung des Gerichts erhalten werden kann, erscheint überhaupt unzumutbar und verstößt gegen das Gebot zur vollständigen uneingeschränkten Möglichkeit auf Akteneinsicht (Parteiengehör) und wohl auch gegen Art. 6 MRK (Grundrecht auf ein faires Verfahren, Anm.).“
Vor allem in Strafsachen fordern die Anwälte, dass die Polizei ihren Abschlussbericht nicht nur dem Staatsanwalt, sondern auch gleich dem Verteidiger, der ja ohnedies ein Recht auf Akteneinsicht hat, per E-Mail sendet.
Einen „wahren Spießrutenlauf“ – der sich im Vergleich zu jenem der Tierschützerverteidiger immer noch bescheiden ausnimmt – habe laut Bericht ein Klagenfurter Anwalt absolviert. Dieser bemühte sich drei Wochen lang um die Abschrift eines Verhandlungprotokolls. Als er es endlich bekam, blieben ihm noch ganze vier Tage, um ein Rechtsmittel gegen das Urteil zu schreiben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2011)