Brüssel-Briefing

Polens törichtes Spiel mit dem Veto

Kaum hat sich Ungarn in einem Kuhhandel von seiner Blockade wichtiger geopolitischer Entscheidungen abbringen lassen, erpresst Polens Regierung die 26. Die Union läuft Gefahr, sich selbst in die Bedeutungslosigkeit zu befördern.

Eigentlich, eigentlich, eigentlich: nun, eigentlich wollte ich mich an dieser Stelle mit dem neuesten Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes auseinandersetzen. Der hat das EU-Programm „Sure“ unter die Lupe genommen, welches 100 Milliarden Euro an billigen Krediten umfasst, mit welchen die Mitgliedstaaten während der Pandemie ab Sommer 2020 Maßnahmen zur Erhaltung von Arbeitsplätzen bezahlen konnten. „Sure“ läuft zu Jahresende aus, fast die gesamte, von den Mitgliedstaaten gemeinsam garantierte Kreditsumme wurde vergeben, mehr als die Hälfte davon an Italien und Spanien - doch wie viele Unternehmen daraus Nutzen gezogen haben, und wie viele Arbeitsplätze erhalten wurden, das weiß niemand, resümieren die Prüfer des Hofes. Denn: die Europäische Kommission (welche „Sure“ über Anleihen finanziert) und die Mitgliedstaaten haben die dafür notwendigen Daten nicht erhoben. Das ist insofern ein politisches Problem, als vor allem die Kommission nicht müde wird, (sich selbst und) „Sure“ zu loben und als Vorbild für mögliche weitere EU-Fonds zu präsentieren, zum Beispiel zur Finanzierung der Energiewende, oder zu Dämpfung der Inflationskosten für Unternehmen und Haushalte (soferne die hohen Teuerungsraten länger anhalten).

Aber dafür ist heute keine Zeit. Denn spätabends trudelte eine unerwartete und schlechte Nachricht herein: die am Montag eigentlich als fix präsentierte Einigung darüber, dass Ungarn sein Veto gegen einen 18-Milliarden-Euro-Kredit der EU an die Ukraine sowie gegen die Einführung eines Mindestsatzes für die Körperschaftsteuer in der Höhe von 15 Prozent aufgibt, und dafür „nur“ 6,3 Milliarden Euro statt 7,5 Milliarden Euro seiner EU-Kohäsionsförderungen blockiert werden, bis es 27 Rechtsstaats- und Antikorruptionsreformen umgesetzt hat: diese Einigung ist passé. Denn plötzlich kam Polens Regierung auf die Idee, sein vor einigen Monaten aufgegebenes Veto gegen die Mindest-Körperschaftsteuer wieder auszupacken - und damit diesen Deal mit Ungarn zu verunmöglichen. Nicht einmal ein nächtlicher Anruf des tschechischen Ministerpräsidenten, Petr Fiala, bei seinem polnischen Amtskollegen, Mateusz Morawiecki, vermochte daran etwas zu ändern. Das ist schon erstaunlich: beide gehören der politischen Parteienfamilie der Europäischen Konserativen und Reformer an, sind zudem in der Visegrád-Vier-Gruppe mit der Slowakei und Ungarn stets auf Tuchfühlung, haben eint eine technokratische Trockenheit.

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