Der ökonomische Blick

Schlechte Nachrichten für Mütter: Kinder belasten nicht nur ihre Karrieren

APA/dpa/Wolfram Steinberg
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Studien zeigen: Kinder belasten nicht nur die Karrieren von Frauen stärker als die von Männern, auch die mentale Belastung ist bei Müttern deutlich höher. Es gilt, sie zu entlasten.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine Herausforderung. Nach der Geburt bedarf es einer grundsätzlichen Entscheidung für ein Lebensmodell, das sich auf alle Lebensbereiche wie die Berufstätigkeit oder die Kinderbetreuung auswirkt. Klar ist, dass solch eine Entscheidung tiefgreifende ökonomische und mentale Folgen haben kann. Was sagt die Forschung?

Kinder beeinträchtigen die Karrieren von Frauen, aber nicht die von Männern

Skandinavische Länder gelten als Familienparadiese. Betrachten wir zum Beispiel Dänemark: Hier gibt es bezahlte Elternkarenz für Väter und Mütter, Krabbelstuben für die Kleinsten, Ganztageskindergärten und exzellente Schulen. Die Liste an familienfreundlichen Leistungen ist lang. Man könnte also vermuten, dass diese sozialpolitischen Maßnahmen es den Frauen ermöglichen, nach der Geburt ungehindert ihre Karrieren zu verfolgen.

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Die Realität sieht laut einer Studie von Kleven et al. (2019a) allerdings anders aus: Trotz der generösen sozialpolitischen Maßnahmen verdienen Frauen in Dänemark zwischen 20 Prozent und 30 Prozent weniger als Männer. Der Hauptgrund ist: Kinder belasten die Karrieren von Müttern, nicht aber die Karrieren von Vätern. Dies liegt zum großen Teil daran, dass Mütter mehr Zeit für die Kindererziehung aufwenden als Väter, ob freiwillig oder nicht.

Abbildung 1 visualisiert die ungleiche monetäre Belastung von Männern und Frauen auf eindrucksvolle Weise: Vor der Geburt des ersten Kindes entwickeln sich die Arbeitseinkommen von Müttern und Vätern nahezu parallel. Mütter erleiden nach der Geburt des ersten Kindes jedoch substantielle Einkommensverluste, während die Einkommen von Vätern nahezu unverändert bleiben. Zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes verdienen Mütter, aufgrund der Geburt, immer noch 20 Prozent weniger als Väter. Dies ist die sogenannte „motherhood penalty“.

Abbildung 1: Aus Kleven et al. (2019a) entnommen
Abbildung 1: Aus Kleven et al. (2019a) entnommen

Dänemark ist kein Sonderfall, im Gegenteil. Gerade hier in Österreich sind die kinderbedingten Einkommensverluste von Müttern besonders hoch. Kinder dämpfen die Arbeitseinkommen von Frauen relativ zu denen von Männern im zehnten Jahr nach der Geburt um 50 Prozent. Auch andere Länder verzeichnen deutlich höhere „motherhood penalties“ als Dänemark (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Visualisierung der Ergebnisse aus Kleven et al. (2019b)
Abbildung 2: Visualisierung der Ergebnisse aus Kleven et al. (2019b)

Mütter sind nicht nur monetär, sondern auch mental stärker belastet

Kinder belasten nicht nur die Karrieren von Frauen stärker als die von Männern, auch die mentale Belastung von Frauen ist deutlich höher. Zu diesem Schluss kommen wir in einer aktuell entstehenden Studie (Ahammer et al., 2022). Konkret analysieren wir im Rahmen des Projektes, inwiefern Elternschaft
(a) die Einnahme von Antidepressiva und
(b) die Inanspruchnahme von Psychotherapie beeinflusst.
Hierzu verwenden wir administrative Gesundheitsdaten aus Österreich und Dänemark.

Die Ergebnisse für Österreich sind ernüchternd (Abbildung 3): Die Wahrscheinlichkeit, Antidepressiva einzunehmen, entwickelt sich für verheiratete Männer und Frauen bis zur Geburt des ersten Kindes parallel zueinander. Kurz nach der Geburt des ersten Kindes erhöht sie sich jedoch für Mütter drastisch, während sich der Gesundheitszustand von Vätern kaum ändert. Die Effekte für Frauen sind substantiell und wachsen über die Zeit: Im neunten Jahr nach der Geburt verzeichnen Mütter (relativ zu kinderlosen Frauen) einen Anstieg der Behandlungswahrscheinlichkeit um etwa fünf Prozentpunkte. Relativ zu ihren Partnern haben Mütter, aufgrund von Kindern, somit eine um 106 Prozent gestiegene Wahrscheinlichkeit Antidepressiva einzunehmen. Die Resultate für die Inanspruchnahme von Psychotherapie sind ähnlich ausgeprägt.

Abbildung 3: Die schattierten Bereiche markieren die 95-Konfidenzintervalle.
Abbildung 3: Die schattierten Bereiche markieren die 95-Konfidenzintervalle.

In Dänemark lässt sich dasselbe generelle Phänomen beobachten, jedoch in abgeschwächter Form: Hier erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen im neunten Jahr nach der Geburt Antidepressiva einnehmen, nur um circa zwei Prozentpunkte (relativ zu kinderlosen Frauen).

Längere Karenzzeiten verschärfen die mentalen Probleme

Die Analyse von reformbedingten Ausdehnungen des Karenzurlaubes zeigt zudem: Je länger Mütter ausschließlich für die Kinderbetreuung verantwortlich sind, desto häufiger leiden sie unter mentalen Problemen. Konkret erhöht jedes zusätzliche Karenzjahr die jährliche Wahrscheinlichkeit, nach der Geburt Antidepressiva einzunehmen, um circa vier bis fünf Prozentpunkte. Hierfür kann es zahlreiche Gründe geben: Mütter verlieren durch längere Karenzzeiten nicht nur Einkommen, sondern auch Aufgaben und Anerkennung außerhalb des Haushaltes. Zudem könnten längere Karenzzeiten die traditionelle Mutterrolle manifestieren, was die intrafamiliäre Arbeitsteilung und somit die längerfristige Belastung der Frauen erhöhen mag.

Fazit

Die Diskussion zeigt: Mütter sind durch die Elternschaft in vielerlei Hinsicht belastet, besonders in Österreich. Selbst wenn man Gerechtigkeitsargumente ignorieren mag, ergeben sich zahlreiche Gründe zu intervenieren. Einerseits ist es gerade in Zeiten des drohenden Fachkräftemangels ratsam, Frauen in den Arbeitsmarkt zu integrieren (um mögliche Potentiale zu heben). Andererseits strapaziert die überproportionale mentale Belastung von Frauen die Budgets der Krankenkassen und Sozialversicherungen nachhaltig.

Was können wir also in Österreich tun? Es gilt, Frauen zu entlasten. Hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Beispielsweise wäre es an der Zeit, die Verfügbarkeit von Krabbelstubenplätzen auszubauen. Genauso könnte man Anreize schaffen, Männer stärker in die Kinderbetreuung zu integrieren. Vermutlich ist es aber naiv zu glauben, dass man Gleichheit alleinig mit Familienpolitik verbessern kann. Um tatsächlich für Gleichstellung zu sorgen, müssen sich vermutlich zunächst die „Normen“ ändern.

Der Autor: Ulrich Glogowsky ist Professor für Public Economics am Institut für Volkswirtschaftslehre an der Johannes Kepler Universität Linz.
Der Autor: Ulrich Glogowsky ist Professor für Public Economics am Institut für Volkswirtschaftslehre an der Johannes Kepler Universität Linz.

Referenzen

Alexander Ahammer, Ulrich Glogowsky, Martin Halla, Timo Hener. (2022): “More bad news for mothers: The child penalty in mental health.” Erstentwurf des Arbeitspapieres auf Anfrage erhältlich.

Kleven, Henrik, Camille Landais, und Jakob Egholt Søgaard. (2019a): „Children and gender inequality: Evidence from Denmark.” American Economic Journal: Applied Economics. 11(4), 181-209.

Kleven, Henrik, Camille Landais, Johanna Posch, Andreas Steinhauer und Josef Zweimüller. (2019b): „Child penalties across countries: Evidence and explanations.” AEA Papers and Proceedings. 109, 122-126.

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