Auch wenn die niederösterreichische Landtagswahl keine spektakulären Knalleffekte bringen wird – ein blaues Auge droht der ÖVP, aber auch der SPÖ.
In Jahren ohne Nationalratswahl müssen die Urnengänge in den Ländern als Kristallkugel für den Bund herhalten. So ist es Brauch. Zugegeben, die Schwankungsbreite dieser Länder-Orakelsprüche ist gewaltig, aber von allen Bundesländern kommt Niederösterreich der Bundesdimension am nächsten – schon wegen der Anzahl der Wähler. Diesmal wird die Bedeutung der Wahl auch bewusst hochgejazzt. Johanna Mikl-Leitner warnt vor Rot-Blau-Pink in St. Pölten. Die anderen (bis auf die Grünen) wollen am 29. 1. indirekt über die Bundesregierung abstimmen und stellen bei ÖVP-Verlusten im Land Nationalratswahlen in Aussicht.
Da hilft es nur bedingt, dass sich die Landes-ÖVP in alter „L'État, c'est moi!“- Tradition als überparteiliche Niederösterreich-Partei geriert, weit weg von Türkis und Schwarz. Die Konkurrenz beharrt auf „mitgehangen, mitgefangen“. Nicht zu Unrecht. Ist doch die Landes-ÖVP das Gravitationszentrum des türkisen Universums. Personell eng mit dem Bund verwoben laboriert sie zudem an Problemen, die zur Bundesmisere passen: Inseratencausa, ORF-Landesstudio-Affäre.
Letztlich wird die Kirche aber im Dorf bzw. der Dom in St. Pölten bleiben. Weder eine „bunte Koalition“ noch Neuwahlen im Bund sind wahrscheinlich. Warum sollte die ÖVP in Neuwahlen gehen, bei denen sie nur verlieren kann? Wegen eines schlechten ersten Platzes im Land (und schlecht heißt: 40 Prozent)? Da verschärft sich maximal der Ton zwischen Türkis und Grün. Komplexer sind die Optionen, die sich im Land auftun. Nach einer aktuellen Umfrage würde sich Blau-Rot vielleicht ausgehen. Es wäre aber ein Bruch der Tradition, würde man den Ersten umgehen. Und das ist recht fix und mit Riesenabstand die ÖVP. Zudem hat die FPÖ so ein Manöver de facto („absurd“) ausgeschlossen, Neos und Grüne wollen nicht mit Blau kooperieren. Nur die SPÖ lässt sich alles offen.
Realistischerweise wird die ÖVP also weiter die Landeschefin stellen, aber ohne absolute Mehrheit im Landtag. Die Folgen? Behält die ÖVP fünf von neun Landesregierungsmitgliedern, kann es dennoch keine Koalition gegen sie geben. Sie braucht theoretisch nur eine (kleine) Partei, die ihr die Wahl zur Landeshauptfrau im Landtag sichert. Anders sieht es aus, wenn die ÖVP nur vier Sitze hat. Dann gäbe es trotz Proporz eine echte Koalition – mit SPÖ oder FPÖ. Rot hat einen leichten Vorteil. Mikl-Leitner und FPÖ-Chef Udo Landbauer verstehen sich mäßig gut. Zudem liegt Schwarz-Rot – siehe Tirol – im Retro-Trend.
Roter Jubel darüber klänge aber hohl. Die SPÖ stagniert in den Umfragen. „Warum sollte bei ÖVP-Verlusten die SPÖ automatisch zulegen?“, fragte der Wiener Bürgermeister unlängst spitz. Eh. Nur dass das im Umkehrschluss heißt, dass roten Fischern nur der grüne Stimmenteich bleibt. Und der ist in St. Pölten ein Tümpel. Und SPÖ-Chef Franz Schnabl kein guter Angler. Inhaltlich hat er zwar auf richtige Themen gesetzt (Ausbau der Kinderbetreuung), aber seine Persönlichkeitswerte sind desaströs. Gerade zehn Prozent würden ihn direkt wählen. „Rote Hanni“-Scherz-Plakate bringen Aufmerksamkeit, aber Landesväter stellt man sich anders vor.