Laut ausführlicher Expertise einer Arbeitsrechts-Expertin hätte das Burgtheater Florian Teichtmeister wegen des bloßen Verdachts auf pornografische Darstellungen Minderjähriger nicht „feuern“ können.
Hat das Burgtheater im Fall Florian Teichtmeister von Anfang an richtig reagiert oder gab es Versäumnisse? Diese Fragen wurden nun rechtlich geprüft. Ein Gutachten kommt zu dem erwarteten Ergebnis: „Der bloße Verdacht einer strafbaren Handlung ist nicht ausreichend, um eine Entlassung auszusprechen.“
Diese Einschätzung bezieht sich auf die Zeit, als noch keine Anklage (Strafantrag) wegen pornografischer Darstellungen Minderjähriger vorlag. Nachdem dies heraußen war (Mitte Jänner 2023) und nachdem klar war, dass es einen Prozess (8. Februar 2023) gegen den Schauspieler geben werde (mittlerweile ist der Termin wegen Erkrankung des Beschuldigten geplatzt), wurde unverzüglich die Entlassung des 43-Jährigen ausgesprochen. Aber hätte man nicht schon im Vorfeld, nämlich nach Erscheinen von zwei anonymisierten Zeitungsartikeln (September 2021), mehr tun müssen? Um das zu klären, hat Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) das eingangs erwähnte Gutachten in Auftrag gegeben.
In dem 56 Seiten starken Papier kommt die auf Arbeitsrecht spezialisierte Anwältin Sieglinde Gahleitner – sie ist auch Mitglied des Verfassungsgerichtshofs – unter anderem zu diesem Ergebnis: „Eine Suspendierung des Arbeitnehmers lediglich im Hinblick auf eine Verdachtslage ohne entsprechende Nachweise für einen wichtigen Grund, der annähernd das Gewicht eines Entlassungsgrundes hat, wäre rechtswidrig gewesen. Ebenso wäre eine fristlose Entlassung ohne Nachweise für einen Entlassungsgrund (...) rechtswidrig gewesen.“
Hier sei daran erinnert, dass die Geschäftsführung der Burg nach Bekanntwerden der Vorwürfe ein Gespräch mit Teichtmeister geführt hatte. Damals bestritt dieser Missbrauchs-Darstellungen von Kindern und Jugendlichen zu besitzen – und erklärte, er sei von seiner Ex-Partnerin angezeigt worden; die Vorwürfe seien aber haltlos. Er drohte sogar seine Ex-Partnerin wegen Verleumdung zu klagen.
Mittlerweile sieht die Sache ganz anders aus. Teichtmeister (er war ab 2019 Ensemble-Mitglied der Burg) zeigt sich nach Angaben seiner Anwälte geständig. Er habe auch, so hieß es zuletzt, eine Therapie gemacht. Wann nun der Prozess – dem Schauspieler drohen bis zu zwei Jahre Gefängnis – tatsächlich stattfindet, ist noch nicht fixiert.
Zurück zum Gutachten: Dieses bestätigt auch, dass die Burg-Geschäftsführung anlässlich der Situation im September 2021 bei zwei voneinander unabhängigen Anwälten Rat eingeholt hatte. Schon damals wurde erklärt, dass ein bloßer Verdacht im Hinblick auf arbeitsrechtliche Schritte nicht tragfähig sei. Auch bei Kollegen von Teichtmeister wurde nachgefragt. Dies erhärtete den Verdacht aber nicht.
Künftig bessere Dokumentation
Die Expertise liefert der Burg nun auch eine Handlungsanleitung für „künftige Fälle“: Anwaltliche Begleitung solle nicht nur zu Beginn eines Verdachtsfalls in Anspruch genommen werden, sondern durchgehend. Bei Gesprächen mit Verdächtigen solle anwaltlicher Beistand zugezogen werden. Verdächtige, die behaupten, alles sei vom Tisch, sollten künftig zur Vorlage des Verfahrens-Einstellungsbeschlusses aufgefordert werden. Alle Gespräche mit Verdächtigen sollten in Zukunft schriftlich genau dokumentiert werden.
Aber warum hat die Burg nicht einfach die Akten des Ermittlungsverfahrens angefordert? Kurze Antwort: Weil ein begründetes rechtliches Interesse auf Akteneinsicht, wie dies die Strafprozessordnung verlangt, erst mit Einbringen des Strafantrags vorgelegen sei. Für diese Einschätzung gebe es „gute Gründe“, erklärt Anwalt Norbert Wess in einem eigens eingeholten zweiten Gutachten.
Das Burgtheater und die Bundestheater-Holding hätten ihre Pflichten erfüllt, erklärte Staatssekretärin Mayer am Montag – „das heißt aber nicht, dass man nicht noch mehr hätte tun können“. Daher: „Wir werden eine Reihe von Maßnahmen ergreifen, um den Umgang mit schwerwiegenden Vorwürfen gegen Mitarbeiter des Bundestheater-Konzerns – welcher Art auch immer sie sein mögen – noch besser und professioneller zu gestalten.“
Und: „Eine Kultur des Wegschauens“ habe im Kulturbereich genauso wenig Berechtigung wie in anderen Gesellschaftsbereichen. „Wir müssen hinschauen und den Opfern das Gefühl geben, dass sie gehört und ernst genommen werden.“