Medienministerin Raab legt sich fest: Sofern der ORF ein Sparpaket vorlegt, soll es anstelle der GIS-Gebühr eine Haushaltsabgabe geben. Das unterstützen generell auch die Grünen. Die finalen Verhandlungen in der Koalition stehen noch aus.
Die Frage, wie der ORF finanziert werden soll, beschäftigt die Medienpolitik seit Wochen. Nun wird eine Einigung zwischen Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) und ORF-Generaldirektor Roland Weißmann kolportiert. Die GIS-Gebühr dürfte Ende 2023 der Vergangenheit angehören. Die Einigung sehe eine Haushaltsabgabe vor - für jeden Haushalt, unabhängig davon, ob ORF per Radio, TV oder Internet genutzt werden. Dafür soll die Summe geringer sein, als die bisherige GIS-Gebühr. Der „Kurier“ berichtet, es seien 16,50 € pro Haushalt zu zahlen. Derzeit beträgt das GIS-Programmentgelt 18,59 Euro, bzw. 20,45 Euro inklusive der Umsatzsteuer. Der mit der GIS-Gebühr zu zahlende Länderanteil soll weiterbestehen. Dieser ist unterschiedlich hoch und soll gemeinsam mit der Haushaltsabgabe abgebucht werden.
Die ÖVP will dem ORF außerdem einen Sparkurs verordnen. 300 Millionen Euro sollen die Ausgaben bis 2026 schrumpfen. Das entspricht in etwa dem Minus, das der ORF in der mittelfristigen Finanzplanung angemeldet hat.
Raab: Verhandlungen mit Grünen starten erst
Medienministerin Raab wollte in einem ersten schriftlichen Statement noch nicht von einer Einigung sprechen, "weil Verhandlungen mit dem Koalitionspartner noch nicht begonnen haben". Doch könne sie sich vor dem Hintergrund eines harten Sparkurses des ORF "einen ORF-Beitrag pro Haushalt vorstellen". Erneut betonte sie, dass der ORF deutlich günstiger werden müsse.
Raab kündigte auch an, dass die vom ORF seit Jahren geforderte Digitalnovelle so rasch wie möglich umgesetzt werden solle. Zeitnahe sollen vertiefende Gespräche mit den Grünen dazu folgen. Konkret will der ORF mehr Möglichkeiten im digitalen Raum - etwa Inhalte online-first und online-only anbieten oder auch länger als sieben Tage bereitstellen dürfen.
Von den Grünen kamen am Freitagnachmittag positive Signale zum Thema Haushaltsabgabe. „Diese war immer ein Grünes Vorschlag und unser bevorzugtes Modell“, heißt es in einer der „Presse“ vorliegenden Stellungnahme der Partei. Man sei zuversichtlich, in den abschließenden Verhandlungen „ein gutes Gesamtpaket zum Wohle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu finden“. Man mache sich weiterhin für einen „unabhängigen und starken Qualitätsjournalismus“ stark.
Der ORF verwies auf eine Sondersitzung des Stiftungsrat-Finanzausschusses am Montag. Vorher wolle man zur Sache keine Stellung nehmen.
In den vergangenen Wochen hat es zwischen der Medienministerin und ORF-Generaldirektor Weißmann mehrere Gesprächsrunden gegeben. Weißmann wird dem Stiftungsrat am Montag einen Budgetpfad für die nächsten Jahre mit hartem Sparkurs vorlegen, hieß es vonseiten des Medienministeriums. "Wo dabei gespart wird, ist Sache des ORF."
„Größte Finanzierungskrise der Geschichte"
Weißmann betonte stets, es sei wesentlich, dass nach dem VfGH-Erkenntnis, wonach ab 2024 auch das ausschließliche Streaming von ORF-Programm kostenpflichtig zu sein hat, "zeitnahe eine Lösung auf den Tisch" komme. Man müsse „den gordischen Knoten noch durchschlagen", so der ORF-Generaldirektor vor einer Woche. Er hatte eine „nachhaltige Finanzierung des ORF" gefordert.
Weißmann hatte im November gewarnt, dass der ORF ab 2024 vor "einer der größten Finanzierungskrisen in seiner Geschichte" stehe und auf Basis des gegenwärtigen Finanzierungsmodells die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags nicht mehr garantiert werden könne. Zur Diskussion stehen die Erweiterung der GIS auf streamingfähige Geräte, die Einführung einer Haushaltsabgabe oder die Finanzierung des ORF aus dem Bundesbudget.
Lockl zurückhaltend, SPÖ ortet ORF-Spardiktat
Der ORF-Stiftungsratsvorsitzende Lothar Lockl wollte keine Stellungnahme zu den aktuellen Plänen abgeben. Im Vorfeld hatte er jedoch betont, dass der ORF seit Jahren spare und auch weiterhin auf Sparsamkeit bzw. Effizienz achten werde. Irgendwann gehe das aber an die Substanz, womit das Programm und letztlich das Publikum betroffen wären. Die Kernfrage an die Politik lautet laut Lockl, ob man den ORF stärken und ihm auch in Zukunft ermöglichen möchte, sein Publikum zu erreichen oder man ihn schwächen und damit die Konkurrenz in Form von internationalen Giganten wie Youtube oder Facebook stärken wolle. Er hoffe sehr, dass die Politik eine nachhaltige Finanzierung des ORF sicherstellt, teilte er in der Vorwoche mit.
Auch Thomas Zach, Leiter des gewichtigen ÖVP-"Freundeskreises" im ORF-Stiftungsrat, äußerte sich nicht zu den Plänen. Er wolle zunächst den Bericht des ORF-Generaldirektors am Montag abwarten.
Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-"Freundeskreises", hielt fest, dass sich offenbar das "Spardiktat der türkis-grünen Regierung zulasten von Künstlern, Filmschaffenden und Sportbegeisterten" durchgesetzt habe. Er selbst habe stets vor der Aushöhlung des öffentlich-rechtlichen Auftrags gewarnt und befürchte dramatische Kürzungen, die etwa auch die Landesstudios und damit die regionalen Bedürfnisse betreffen könnten. Man stehe nun am Beginn einer "harten Auseinandersetzung um den ORF". Man werde gegen das Sparpaket auftreten, kündigte Lederer an.
Für die SPÖ sei entscheidend, dass jedes neue Finanzierungsmodell die Unabhängigkeit des ORF sichere und sozial verträglich sei, kommentierte SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried die Berichte. "Die Frage ist, ob es etwa bei der angedachten Haushaltsabgabe eine soziale Staffelung gibt und wie Unternehmen einbezogen werden." Völlig offen sei zudem, was die offenbar geplanten Kürzungen für den öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF bedeuten. Die NEOS indes mahnten Reformschritte beim ORF ein, die über eine mögliche Haushaltsabgabe und Einsparungspläne hinausgingen. "Die Menschen haben ein Recht auf einen unabhängigen, entpolitisierten ORF. Dafür braucht es aber tiefgreifende Reformen, die weit über die Finanzierungsfrage hinausgehen", so Mediensprecherin Henrike Brandstötter.
FPÖ kritisiert geplante „Zwangsgebühr"
Die FPÖ kritisierte die kolportierte Haushaltsabgabe, jeder würde damit eine "Zwangsgebühr" zahlen, auch wenn es im Haushalt weder Radio, TV oder Internet gebe. Der ORF brauche keine höheren Einnahmen, sondern müsse "endlich" mit dem Sparen beginnen und zu einem modernen Medienunternehmen gemacht werden, "ohne Zwangsgebühren, ohne parteipolitischen Einfluss und ohne Privilegien". Auch die Bundesjugendvertretung (BJV) sprach sich in einer Aussendung gegen eine Haushaltsabgabe aus. Für die jüngere Generation sei vor allem das Internet und nicht das lineare Fernsehangebot des ORF die wichtigste Informationsquelle.
Unterdessen warnte am Freitag Sport-Austria-Präsident Hans Niessl in einer Aussendung von einer möglichen Einstellung von ORF Sport + im Zuge von Einsparungsplänen. "Dagegen wird der österreichische Sport mit allen Mitteln ankämpfen! Ich habe deshalb die Einberufung einer außerordentlichen Präsidiumssitzung für Donnerstag veranlasst, um die weitere Vorgangsweise festzulegen." ORF Sport + sei für die Aufrechterhaltung der Vielfalt der österreichischen Sportkultur von großer Bedeutung.
(red./Ag.)