Oscars 2023

Oscar-Gala 2023: Der Abend der zwei Daniels und ein Österreich-Moment

Daniel Kwan und Daniel Scheinert.
Daniel Kwan und Daniel Scheinert.(c) APA/AFP/AMPAS
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Die filmische Wundertüte „Everything Everywhere All at Once“ räumt bei der 95. Oscar-Gala groß ab. Auch das deutsche Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“ gewinnt vier Oscars. Als beste Schauspielerin wird Michelle Yeoh geehrt, als bester Schauspieler Brendan Fraser.

„Everything Everywhere All at Once“, eine mitreißende Mischung aus Sci-Fi-Spektakel, Migrationsdrama und wilder Sketch-Comedy, ist der große Gewinner der 95. Oscar-Gala. Der Film der beiden Regisseure Daniel Kwan und Daniel Scheinert (zur Filmkritik „Ein drittes Auge schadet nie“), konnte in den Hauptkategorien Bester Film, beste Regie, beste Hauptdarstellerin, bestes Drehbuch, bester Schnitt, beste Nebendarstellerin und bester Nebendarsteller abräumen. Zu den Gewinnern zählte aber auch der deutsche Kriegsfilm „Im Westen nichts Neues“. Neben dem Preis für den besten ausländischen Film konnte das Drama von Regisseur Edward Berger seine Nominierungen auch in den Kategorien Beste Filmmusik, beste Kamera und bestes Produktionsdesign in Oscars ummünzen.

Leer gingen hingegen bei der Gala (bei der viel über den Skandal des Vorjahrs gewitzelt und ein "Emotional Support"-Esel auf die Bühne geholt wurde >> hier zur TV-Notiz) einige viel gelobte Filme aus: Etwa Steven Spielbergs autobiografisches Familiendrama „The Fabelmans“ (sieben Nominierungen) sowie das bittersüße, bildschöne Drama „The Banshees of Inisherin“ (neun Nominierungen), Baz Luhrmans Filmbiografie „Elvis“ (acht Nominierungen) und das Dirigentinnenporträt „Tár“ (sechs Nominierungen) aus. Auch das Kultfilm-Sequel „Top Gun: Maverick“ konnte nur einen einzigen Oscar, für den besten Ton, erobern. Ebenso wie übrigens „Avatar: The Way of Water“, das bei den visuellen Effekten zu überzeugen wusste.

Das Team von „Everything Everywhere All at Once“.
Das Team von „Everything Everywhere All at Once“.(c) APA/AFP/PATRICK T. FALLON (PATRICK T. FALLON)

Die erste Auszeichnung des Abends ging zwar an Starregisseur Guillermo del Toro für seinen Animationsfilm „Pinocchio“ (übrigens mit Christoph Waltz als Bösewicht). Doch schon kurz darauf wurde es wegweisend. Bereits bei den Kategorien der besten Nebendarstellerin und des besten Nebendarstellers schlug „Everything Everywhere All at Once“ doppelt zu. Zuerst durfte Ke Huy Quan die goldene Statuette in die Höhe stemmen, ehe ihm Jamie Lee Curtis ein paar Minuten später folgte.

Beide zeigten sich in ihren Reden hochemotional. „Meine Mum ist 84 Jahre alt, Mum ich habe den Oscar gewonnen“, sagte Quan mit tränenerstickter Stimme. „Meine Reise hat auf einem Boot begonnen, ich habe ein Jahr in einem Flüchtlingscamp verbracht. Und irgendwie habe ich es hierher geschafft, auf Hollywoods größte Bühne“, fügte er hinzu. Es heiße immer, solche Geschichten passieren nur im Film. Aber: „This is the American Dream!“.

Jamie Lee Curtis erinnert an ihre Eltern: "I just won the Oscar!".
Jamie Lee Curtis erinnert an ihre Eltern: "I just won the Oscar!".(c) Reuters

Jamie Lee Curtis wiederum betonte, wie sehr ihre Ehrung in Wahrheit ein Teamerfolg sei: „Ich bin hunderte Personen, wir haben den Oscar gemeinsam gewonnen“. Dann kam sie auch auf ihre Eltern zu reden, die beide ebenfalls für Oscars nominiert worden waren. „Ich habe einen Oscar gewonnen“, sagte sie bewegt in Erinnerung an Janet Leigh und Tony Curtis.

Als bester Dokumentarfilm wurde Daniel Rohers „Navalny“, der die Geschichte von der Vergiftung des russischen Oppositionspolitikers erzählt, geehrt. Der Regisseur dankte seinem Team, darunter auch die drei österreichischen Kameramänner Niki Waltl, Simon Fraissler und Daniel Dajakaj, für dessen Mut. Auch Nawalnys Frau Julia stand auf der Bühne: „Mein Mann ist im Gefängnis, nur weil er die Wahrheit sagt und weil er die Demokratie verteidigt. Ich träume von dem Tag, an dem er und unser Land wieder frei sein werden“, sagte sie.

„Du trugst uns alle": Großes Lob für Felix Kammerer

Der Oscar für den besten ausländischen Film ging etwas später wie erwartet an die deutsche Produktion "Im Westen nichts Neues". Edward Berger dankte in seiner Rede ausdrücklich dem Österreicher Felix Kammerer - ohne ihn würden sie alle nun nicht hier stehen, lobte er den Burgtheater-Schauspieler für die Performance in seinem ersten Filmprojekt. „Das war dein erster Film, und du trugst uns alle auf deinen Schultern, als wäre es nichts.“ Kammerer schien angesichts des Lobes emotional überwältigt.

Edward Berger preist Felix Kammerer (ganz rechts).
Edward Berger preist Felix Kammerer (ganz rechts).(c) AFP

Eine ungeschminkte Lady Gaga überzeugte in einem überraschenden Auftritt und einer der stärksten Gesangseinlagen des Abends mit einer reduzierten, auf ihre Stimme fokussierten Darbietung ihres für den Oscar nominierten Songs zu „Top Gun: Maverick“. Ebenso wie Rihanna, die wiederum für ihren Song im Film „Black Panther: Wakanda Forever“ auf der Liste der Nominierten stand. Das vermeintliche Gesangsduell ging schließlich für beide verloren. Der Oscar ging an den indischen Song „Naatu Naatu“ von RRR.

Lady Gaga, ungeschminkt und mit starker Stimme.
Lady Gaga, ungeschminkt und mit starker Stimme.(c) AFP

Monika Willi geht leer aus

Sarah Polley konnte sich über den Oscar für das beste Drehbuch für „Women Talking“ freuen. In ihrem Film, auf Deutsch „Die Aussprache“, erzählt sie nach wahren Begebenheiten von einer religiösen Kommune in Bolivien, in der Frauen von den Männern betäubt und vergewaltigt wurden. „Ich danke der Academy, dass sie sich nicht gefürchtet hat vor den Wörtern Women und Talking, die so nahe beieinander stehen“, sagte sie in ihrer Rede.

Die Österreicherin Monika Willi durfte nach einer Gehirnerschütterung nicht in die USA zur Oscar-Gala reisen. Sie war mit „Tár“ in der Kategorie bester Schnitt nominiert, ging aber leer aus. Im Gespräch mit dem „Presse“-Filmexperten Andrey Arnold hatte sie erklärt, wie sie dem Aufsehen erregenden Dirigentinnen-Drama seinen Rhythmus gab. Der Oscar in dieser Kategorie ging an „Everything Everywhere All at Once“.

Am Ende des Abends ging es dann Schlag auf Schlag. Nachdem sie auch den Oscar für das beste Originaldrehbuch gewonnen hatten, erhielten Daniel Kwan und Daniel Scheinert die begehrte Goldstatuette für die beste Regie. Und dabei sollte es nicht bleiben.

Vorerst hieß es aber für Brendan Fraser als bester Hauptdarsteller auf die Bühne zu kommen. So fühle es sich also in einem Parallel-Universum an, sagte der hörbar nach Worten ringende Schauspieler in Anspielung auf „Everything Everywhere All at Once“. Er gewann den Oscar für seine Rolle in Darren Aronofskys berührendem Film über einen verzweifelten Vater in „The Whale“. Fraser, der einen sogenannten „Fatsuit“ trug, war in seiner Rolle kaum zu erkennen.

Brendan Fraser mit dem Oscar.
Brendan Fraser mit dem Oscar.(c) AFP

Als es hieß, „and the Oscar goes to ...“ Michelle Yeoh, war der Abend für „Everything Everywhere All at Once“ nahezu perfekt. Sie widmete ihren Preis ihrer Mutter, aber auch allen anderen Müttern dieser Welt. Diese seien die wahren Superhelden dieser Welt. Und sie hatte eine weitere Botschaft an alle Frauen: „Lasst euch niemals sagen, dass ihr eure beste Zeit schon hinter euch habt.“

Michelle Yeoh setzte sich gegen Michelle Williams durch.
Michelle Yeoh setzte sich gegen Michelle Williams durch.(c) Reuters

Als dann ein paar Minuten später auch der Oscar für den besten Film an „Everything Everywhere All at Once“ ging, war der Abend für die Fantasywundertüte endgültig perfekt.

Alle Preise (in Reihenfolge der Vergabe)

Bester Animationsfilm: Guillermo del Toros "Pinocchio"
Bester Nebendarsteller: Ke Huy Quan ("Everything Everywhere All at Once")
Beste Nebendarstellerin: Jamie Lee Curtis ("Everything Everywhere All at Once")
Bester Dokumentarfilm: "Nawalny"
Bester Kurzfilm: "An Irish Goodbye"
Beste Kamera: "Im Westen nichts Neues"
Makeup and Hairstyling: "The Whale"
Kostümdesign: "Black Panther: Wakanda Forever"
Bester ausländischer Film: "Im Westen nichts Neues"
Bester Kurz-Dokumentarfilm: "The Elephant Whisperers"
Bester animierter Kurzfilm: "The Boy, the Mole, the Fox and the Horse"
Produktionsdesign: "Im Westen nichts Neues"
Beste Filmmusik: "Im Westen nichts Neues"
Beste visuelle Effekte: "Avatar: The Way of Water"
Bestes Originaldrehbuch: "Everything Everywhere All at Once"
Bestes adaptiertes Drehbuch: "Women Talking"
Bester Ton: "Top Gun: Maverick"
Bester Song: RRR
Beste Regie: "Everything Everywhehre All at Once"
Bester Hauptdarsteller: Brendan Fraser ("The Whale")
Beste Hauptdarstellerin: Michelle Yeoh ("Everything Everywhere All at Once")
Bester Film: "Everything Everywhere All at Once"

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