Die filmische Wundertüte „Everything Everywhere All at Once“ räumt bei der 95. Oscar-Gala groß ab. Auch das deutsche Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“ gewinnt vier Oscars. Als beste Schauspielerin wird Michelle Yeoh geehrt, als bester Schauspieler Brendan Fraser.
„Everything Everywhere All at Once“, eine mitreißende Mischung aus Sci-Fi-Spektakel, Migrationsdrama und wilder Sketch-Comedy, ist der große Gewinner der 95. Oscar-Gala. Der Film der beiden Regisseure Daniel Kwan und Daniel Scheinert (zur Filmkritik „Ein drittes Auge schadet nie“), konnte in den Hauptkategorien Bester Film, beste Regie, beste Hauptdarstellerin, bestes Drehbuch, bester Schnitt, beste Nebendarstellerin und bester Nebendarsteller abräumen. Zu den Gewinnern zählte aber auch der deutsche Kriegsfilm „Im Westen nichts Neues“. Neben dem Preis für den besten ausländischen Film konnte das Drama von Regisseur Edward Berger seine Nominierungen auch in den Kategorien Beste Filmmusik, beste Kamera und bestes Produktionsdesign in Oscars ummünzen.
Das Team von „Everything Everywhere All at Once“.(c) APA/AFP/PATRICK T. FALLON (PATRICK T. FALLON)
Die erste Auszeichnung des Abends ging zwar an Starregisseur Guillermo del Toro für seinen Animationsfilm „Pinocchio“ (übrigens mit Christoph Waltz als Bösewicht). Doch schon kurz darauf wurde es wegweisend. Bereits bei den Kategorien der besten Nebendarstellerin und des besten Nebendarstellers schlug „Everything Everywhere All at Once“ doppelt zu. Zuerst durfte Ke Huy Quan die goldene Statuette in die Höhe stemmen, ehe ihm Jamie Lee Curtis ein paar Minuten später folgte.
Beide zeigten sich in ihren Reden hochemotional. „Meine Mum ist 84 Jahre alt, Mum ich habe den Oscar gewonnen“, sagte Quan mit tränenerstickter Stimme. „Meine Reise hat auf einem Boot begonnen, ich habe ein Jahr in einem Flüchtlingscamp verbracht. Und irgendwie habe ich es hierher geschafft, auf Hollywoods größte Bühne“, fügte er hinzu. Es heiße immer, solche Geschichten passieren nur im Film. Aber: „This is the American Dream!“.
Jamie Lee Curtis erinnert an ihre Eltern: "I just won the Oscar!".(c) Reuters
Jamie Lee Curtis wiederum betonte, wie sehr ihre Ehrung in Wahrheit ein Teamerfolg sei: „Ich bin hunderte Personen, wir haben den Oscar gemeinsam gewonnen“. Dann kam sie auch auf ihre Eltern zu reden, die beide ebenfalls für Oscars nominiert worden waren. „Ich habe einen Oscar gewonnen“, sagte sie bewegt in Erinnerung an Janet Leigh und Tony Curtis.
Als bester Dokumentarfilm wurde Daniel Rohers „Navalny“, der die Geschichte von der Vergiftung des russischen Oppositionspolitikers erzählt, geehrt. Der Regisseur dankte seinem Team, darunter auch die drei österreichischen Kameramänner Niki Waltl, Simon Fraissler und Daniel Dajakaj, für dessen Mut. Auch Nawalnys Frau Julia stand auf der Bühne: „Mein Mann ist im Gefängnis, nur weil er die Wahrheit sagt und weil er die Demokratie verteidigt. Ich träume von dem Tag, an dem er und unser Land wieder frei sein werden“, sagte sie.
„Du trugst uns alle": Großes Lob für Felix Kammerer
Der Oscar für den besten ausländischen Film ging etwas später wie erwartet an die deutsche Produktion "Im Westen nichts Neues". Edward Berger dankte in seiner Rede ausdrücklich dem Österreicher Felix Kammerer - ohne ihn würden sie alle nun nicht hier stehen, lobte er den Burgtheater-Schauspieler für die Performance in seinem ersten Filmprojekt. „Das war dein erster Film, und du trugst uns alle auf deinen Schultern, als wäre es nichts.“ Kammerer schien angesichts des Lobes emotional überwältigt.
Edward Berger preist Felix Kammerer (ganz rechts).(c) AFP
Eine ungeschminkte Lady Gaga überzeugte in einem überraschenden Auftritt und einer der stärksten Gesangseinlagen des Abends mit einer reduzierten, auf ihre Stimme fokussierten Darbietung ihres für den Oscar nominierten Songs zu „Top Gun: Maverick“. Ebenso wie Rihanna, die wiederum für ihren Song im Film „Black Panther: Wakanda Forever“ auf der Liste der Nominierten stand. Das vermeintliche Gesangsduell ging schließlich für beide verloren. Der Oscar ging an den indischen Song „Naatu Naatu“ von RRR.
Lady Gaga, ungeschminkt und mit starker Stimme.(c) AFP
Monika Willi geht leer aus
Sarah Polley konnte sich über den Oscar für das beste Drehbuch für „Women Talking“ freuen. In ihrem Film, auf Deutsch „Die Aussprache“, erzählt sie nach wahren Begebenheiten von einer religiösen Kommune in Bolivien, in der Frauen von den Männern betäubt und vergewaltigt wurden. „Ich danke der Academy, dass sie sich nicht gefürchtet hat vor den Wörtern Women und Talking, die so nahe beieinander stehen“, sagte sie in ihrer Rede.
Besonders auffallend war in der Oscarnacht die Menge an weißen (und hellen) Kleidern, passend zum nicht mehr roten, sondern champagnerfarbenen Teppich. Und passend zur aktuellen #VanillaGirl-Ästhetik, die auf TikTok gerade die Runde macht. Sofia Carson trug ein Kleid, von dem wohl auch einige Bräute träumen, von Giambattista Valli. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Dass ein Kleid edgy und glamourös zugleich sein kann, hat Florence Pugh mit ihrer Kleiderwahl bewiesen. Sie bestritt die Oscarnacht in Valentino Couture. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Mindy Kaling, ebenfalls in weiß, trug Vera Wang. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Zwar nicht in weiß, aber in blassgelb kam Kerry Condon. Sie war nominiert für die Kategorie der besten Nebendarstellerin für ihr Leistung im Film "The Banshees for Inisherin". (c) Getty Images (Mike Coppola)
Nach der Super Bowl Halftime Show bespielt Rihanna auch die Oscarnacht. Das tut sie in einem Kleid von Alaïa. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Tems hätte ebenso wie Sofia Carson als Braut durchgehen können (wenn auch als eine sehr extravagante). Ihr bauschiges Kleid entstammt dem ukrainischem Label Lever Couture. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Michelle Yeoh, beste Hauptdarstellerin ("Everything Everywhere All at Once"), kam wie so viele in weiß. Ihr Kleid von Dior ist eine Reminiszenz an die Zwanzigerjahre. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Lady Gaga trug ein Versace-Kleid frisch vom Laufsteg. Erst am Donnerstagabend wurde es in Los Angeles von Gigi Hadid präsentiert und schon hat es einen Auftritt am rot... äh champagnerfarbenen Teppich. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Der Brad Pitt einer neuen Generation, zumindest stiltechnisch. Austin Butler, nominiert in der Kategorie des besten Hauptdarstellers für seine schauspielerische Leistung in "Elvis", kleidete sich klassisch, in Saint Laurent. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Halle Bailey, die bald als Meerjungfrau durch die Kinos schwimmen wird, hatte auch am "roten" Teppich etwas von einer Arielle. Ihr hellblaues, fast ins Türkis gehende Kleid ist von Dolce & Gabbana. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Cate Blanchett, nominiert als beste Hauptdarstellerin für ihre Leistung in "Tár", entschied sich für etwas Blaues von Louis Vuitton. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Ein weißes, schimmerndes Sakko und eine ausgestellte Hose à la Siebzigerjahre (beides von Gucci) trug Paul Mescal. Er ist nominiert als bester Hauptdarsteller ("Aftersun"). (c) Getty Images (Mike Coppola)
Angela Bassett, nominiert für die beste Nebendarstellerin ("Black Panther: Wakanda Forever), in einem lila Kleid von Moschino. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Ke Huy Quan, bester Nebendarsteller ("Everything Everywhere All at Once"), nahm ganz gerührt und in klassischem Look von Giorgio Armani seinen Oscar entgegen. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Jamie Lee Curtis wurde als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet, für ebendiesen Film. Gefeiert hat sie in Dolce & Gabbana. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Halle Berry ebenfalls in weiß, mit glitzernden Rosen und neuer Frisur. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Vanessa Hudgens trug ein trägerloses Kleid von Chanel, schlicht und in schwarz-weiß gehalten. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Emily Blunt in, genau, weiß. Schulterfrei mit langen Ärmeln von Valentino. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Ana de Armas, nominiert für die Kategorie der besten Hauptdarstellerin ("Blonde") fiel selbst am champagnerfarbenen Teppich nicht aus ihrer Rolle wie es scheint. Ihr Look von Louis Vuitton hatte etwas von Marilyn Monroes Ästhetik. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Farbe! Einige Prominente trauten sich trotz dezenter Teppichfarbe über etwas Buntes. So etwa Stephanie Hsu. Ihr pinkes Kleid ist Valentino Couture. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Für ihre Kostüme in "Black Panther: Wakanda Forever" wurde Ruth E. Carter ausgezeichnet. Sie selbst kam in gelbem Kleid von Valentino, komplettiert wurde der Look von ihren pinken High Heels. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Es war eine der wenigen Nächte, in denen man nahezu auffiel, wenn man Schwarz trug. Danai Gurira in einer Robe von Jason Wu. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Sandra Oh sorgte wie Stephanie Hsu für einen der seltenen Farbtupfer am hellen Teppich. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Lenny Kravitz stets in rockigem Look - oben ohne, dafür mit einer Menge Halsschmuck. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Zurück zu weiß: Zoe Saldana in Fendi Couture. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Cara Delevingne sorgte dafür, dass Rot nicht ganz von den Oscars verschwindet. Mit einem asymmetrischen Custom Design von Elie Saab. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Nach Rot kommt, klar, weiß: Ariana DeBose trug ein Versace-Kleid mit schlimmernden Details. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Auch Eva Longoria trug die Farbe der Nacht, auch ihr Kleid war mit Steinchen geschmückt. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Nicht in weiß, dafür in hellem Rosaton kam Allison Williams. Die Robe ist von Giambattista Valli. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Auch rosa, mit schwarzer Schleppe: Hong Chau trug Prada. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Zudem schienen Pailletten und Glitzerndes sehr beliebt. Malala Yousafzai in einem Kleid von Ralph Lauren. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Funkelnd, aber in Farbe gab sich Salma Hayek auf den Teppich der Oscars. (c) Getty Images (Mike Coppola)
In einem glitzernden, schwarzen Neckholder-Kleid, trat Elizabeth Olsen vor die Kameras. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Mehr Glitzer. Lauren Ridloff in einer Robe von Elie Saab. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Winnie Harlow in Farbe mit schwarzem Detail, von Giorgio Armani. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Harvey Guillen war einer der Männer des Abends, die Konventionelles zumindest stückweise hinter sich ließen. (c) Getty Images (Mike Coppola)
In ungewöhnlicher Farbkombination zeigte sich in der Oscarnacht Monica Barbaro. Eine Robe von Elie Saab. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Nischelle Turner reiht sich ein in die bereits lange Serie von weißen Kleidern. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Auch die Herren funkelten. So etwa Lorenzo Zurzolo in Gucci. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Ashley Graham kam in einem transparenten Dreiteiler von Alberta Ferretti. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Für Farbe und Glitzer entschied sich Fan Bingbing. Die exaltierte Robe ist Tony Wars Couture. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Jessica Chastain schillerte in Gucci, mit schwarzer Schleppe. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Ein schimmerndes Sakko trug auch Samuel L. Jackson. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Und noch jemand funkelte am "roten" Teppich: Nicole Kidman in Giorgio Armani. Die großen Blüten erinnern, wie Michelle Yeohs Kleid, an die Zwanzigerjahre. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Schimmernd und gar rosa war das Sakko von Dwayne Johnson aka "The Rock". (c) Getty Images (Mike Coppola)
Klassischer Look, drollige Pose: Bill Nighy gibt sich wie immer - mit blauer Schleife aus Solidarität für geflüchtete Menschen. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Noch mehr Steinchen und Pailletten brachte Kate Hudson mit sich. Ihr schulterfreies Kleid ist von Louis Vuitton. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Andie MacDowell weiß, wie schlichte Eleganz funktioniert. Sie kam in simplem, schwarzem Kleid. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Ein letztes Mal Knalleffekt: Janelle Monáe Zweiteiler in Schwarz und Orange war ein Custom Design von Vera Wang. (c) Getty Images (Mike Coppola)
Ebenfalls weiß trug Brian Tyree Henry. Er war nominiert als bester Nebendarsteller für seine Leistung im Film "Causeway". (evdin) (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Oscars in Vanille - Von den Looks bis zum Teppich
Am Ende des Abends ging es dann Schlag auf Schlag. Nachdem sie auch den Oscar für das beste Originaldrehbuch gewonnen hatten, erhielten Daniel Kwan und Daniel Scheinert die begehrte Goldstatuette für die beste Regie. Und dabei sollte es nicht bleiben.
Vorerst hieß es aber für Brendan Fraser als bester Hauptdarsteller auf die Bühne zu kommen. So fühle es sich also in einem Parallel-Universum an, sagte der hörbar nach Worten ringende Schauspieler in Anspielung auf „Everything Everywhere All at Once“. Er gewann den Oscar für seine Rolle in Darren Aronofskys berührendem Film über einen verzweifelten Vater in „The Whale“. Fraser, der einen sogenannten „Fatsuit“ trug, war in seiner Rolle kaum zu erkennen.
Brendan Fraser mit dem Oscar.(c) AFP
Als es hieß, „and the Oscar goes to ...“ Michelle Yeoh, war der Abend für „Everything Everywhere All at Once“ nahezu perfekt. Sie widmete ihren Preis ihrer Mutter, aber auch allen anderen Müttern dieser Welt. Diese seien die wahren Superhelden dieser Welt. Und sie hatte eine weitere Botschaft an alle Frauen: „Lasst euch niemals sagen, dass ihr eure beste Zeit schon hinter euch habt.“
Michelle Yeoh setzte sich gegen Michelle Williams durch.(c) Reuters
Als dann ein paar Minuten später auch der Oscar für den besten Film an „Everything Everywhere All at Once“ ging, war der Abend für die Fantasywundertüte endgültig perfekt.
Alle Preise (in Reihenfolge der Vergabe)
Bester Animationsfilm: Guillermo del Toros "Pinocchio" Bester Nebendarsteller: Ke Huy Quan ("Everything Everywhere All at Once") Beste Nebendarstellerin: Jamie Lee Curtis ("Everything Everywhere All at Once") Bester Dokumentarfilm: "Nawalny" Bester Kurzfilm: "An Irish Goodbye" Beste Kamera: "Im Westen nichts Neues" Makeup and Hairstyling: "The Whale" Kostümdesign: "Black Panther: Wakanda Forever" Bester ausländischer Film: "Im Westen nichts Neues" Bester Kurz-Dokumentarfilm: "The Elephant Whisperers" Bester animierter Kurzfilm: "The Boy, the Mole, the Fox and the Horse" Produktionsdesign: "Im Westen nichts Neues" Beste Filmmusik: "Im Westen nichts Neues" Beste visuelle Effekte: "Avatar: The Way of Water" Bestes Originaldrehbuch: "Everything Everywhere All at Once" Bestes adaptiertes Drehbuch: "Women Talking" Bester Ton: "Top Gun: Maverick" Bester Song: RRR Beste Regie: "Everything Everywhehre All at Once" Bester Hauptdarsteller: Brendan Fraser ("The Whale") Beste Hauptdarstellerin: Michelle Yeoh ("Everything Everywhere All at Once") Bester Film: "Everything Everywhere All at Once"
Vor einem Jahr sorgte Will Smith mit einer Attacke gegen Moderator Chris Rock für den vielleicht größten Skandal der Oscar-Geschichte. Es war auch heuer das alles bestimmende Thema. Der Auftritt eines Esels konnte davon nicht ablenken.
Mehr ist hier mehr: In „Everything Everywhere All At Once“ geht Michelle Yeoh mit Paralleluniversen auf Tuchfühlung. Eine außergewöhnliche filmische Wundertüte.