Gastkommentar

Ende gut, aber vieles schlecht

(c) Peter Kufner
  • Drucken

SPÖ. Doskozil oder Rendi-Wagner: Wer immer den edlen(?) Wettstreit gewinnen wird – die SPÖ wird mindestens bis Sommer gelähmt bleiben.

Die Erleichterung war im Umfeld der SPÖ überall zu spüren: Zwei wesentliche Beschlüsse hat der Parteivorstand am Mittwoch gefasst, sogar einstimmig. Hans Peter Doskozil bekommt „seine“ Mitgliederbefragung, Pamela Rendi-Wagner „ihren“ Sonderparteitag. Es gab gemäß den Statuten auch keine Alternative: Für die Befragung haben sich zuvor bereits mehr als drei Landesorganisationen ausgesprochen, der Parteitag wiederum hat das alleinige Recht, die künftige Parteiführung zu bestimmen, und wird wohl das Ergebnis des Votums entsprechend berücksichtigen. Ab Sommer also Auflösung des „Teams Doskozil“ und des „Teams Pam“, nur mehr „Team SPÖ“?

Kaum zu erwarten. Denn die Werbungsphase bis zur Abstimmung im Mai wird nicht keimfrei verlaufen, allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz. Die Veranstaltungen werden wohl nicht gesittet ablaufen mit artigen Statements der Kandidaten und einer disziplinierten Diskussion danach, schon zuvor werden wohl weniger artige Gerüchte gestreut, Verleumdungen, Fakes. Einen Vorgeschmack liefern bereits erste Heckenschützen in den sozialen Medien: Rendi-Wagner habe in den vier Jahren ihrer Obfrauschaft „bewiesen, dass sie es nicht kann“ (obwohl noch vor einem halben Jahr die SPÖ in Umfragen bei 30 Prozent lag und die größten Skeptiker erstaunt fragten, ob sie nicht vielleicht doch Kanzlerin würde) und Doskozil sei ein „Rechtsverbinder“ zur FPÖ (obwohl die ursprüngliche Landeskoalition mit der FPÖ gerade durch sein Antreten überflüssig geworden war). Wer auch immer den edlen (?) Wettstreit gewinnen wird: Die SPÖ als (noch?) größte Oppositionspartei wird mindestens bis Sommer gelähmt bleiben, vor allem Herbert Kickl (der eben in Budapest an seinem Image als potenzieller österreichischer Orbán gefeilt hat) wird sich freuen.

Das alles gerade jetzt

Und das angesichts beängstigender, durch mehrere Studien bewiesener Entwicklungen in der österreichischen Gesellschaft. Das Misstrauen gegenüber der Politik hat ein bisher unbekanntes Ausmaß erreicht: Drei Viertel der Menschen haben das Gefühl, im Parlament nicht gut vertreten zu sein, zwei Drittel finden das politische System nicht gut und fühlen sich als Menschen zweiter Klasse behandelt. Entsprechend wachsen autoritäre Tendenzen: 22 Prozent sind für einen „starken Führer“, elf Prozent für eine „Diktatur auf Zeit“, 28 Prozent dafür, sich mit „Gewalt gegen die Mächtigen“ zu wehren. In Zusammenhang damit ist auch die soziale Verzweiflung vieler Menschen zu sehen: die Hälfte des unteren Einkommensdrittels beklagt eine Verschlechterung ihrer Lage, die Teuerung besorgt längst auch die Mittelschicht. Angst, Erschöpfung und Depressionen nehmen zu, es steigt die Gewaltbereitschaft, auch gegen sich selbst: Vier von zehn Jugendlichen(!) hegen Suizidgedanken. Verstärkt wohl durch die internationale Entwicklung, durch den Krieg in der Ukraine (sicher noch lang verstörend), die Pandemie (sicher nicht die letzte) und die Klimakrise (nur von völlig Verblendeten zu leugnen).

Genug Stoff, genug Notwendigkeit, genug Chance für eine Bewegung, die sich Obamas „Yes we can!“ zum Vorbild nimmt, speziell für Junge wieder Aufbruch und Hoffnung bietet, Fortschritte der Wissenschaft und Technologie nutzt, in dauerhaftem Dialog mit deren Trägern und der gesamten Zivilgesellschaft steht. Aber die SPÖ verliert sich offenbar lieber im internen Streit.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2023)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.