Morgenglosse

Gentechnik: Es geht nicht um Wahlfreiheit

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Wie ernst soll der „mündige Konsument“ genommen werden? Eine Antwort darauf gibt nicht Brüssel, sondern geben die 27 Hauptstädte der EU.

Es geht um nicht wenig: um die Gesundheit, um die Nachhaltigkeit der Ernährung, um die Qualität der Böden, um die Resilienz der Äcker, um Sicherstellung der Lebensmittel-Basis in der Klimakrise. Das alles haben zwei grüne Minister versucht, in einen Brief über gentechnisch veränderte Lebensmittel zu packen. Leonore Gewessler und Johannes Rauch wollen verhindern, dass gentechnisch veränderte Organismen auf den Acker kommen, ohne dass das Vorsorgeprinzip beachtet und die Zulassung streng reglementiert wird. Und dass sie – sollten sie eine Marktzulassung haben – jedenfalls gekennzeichnet werden.

Die Lebensmittel-Industrie will gerade Letzteres partout nicht, auch wenn dann die oft und gern beschworene Wahlfreiheit von Konsumenten vor dem Regal ins Leere ginge. Denn nicht gekennzeichnete Ware lässt sich nicht auswählen oder meiden.

Die Verwirrung, die da gestiftet wird, ist kein Versehen, sondern Strategie. Es geht um Geld, um sehr viel Geld, und um Markterschließung und Aufteilung des Marktes. Denn die Werbemaschinerie wartet nur darauf, sich dankbar auf Lebensmittel nach Design zu stürzen, mit denen Konsumenten gut vermarktbare Versprechungen gemacht werden können. Ob sie dann eingehalten werden können, ist nicht so wichtig. Es geht nicht um grenzenlose Wahlfreiheit der Konsumenten, es geht um grenzenlose Freiheit des Anbietens durch die Industrie.

Die Strategie ist klar: Wenn bei Konsumenten Gentechnik-Lebensmittel unbeliebt sind, dann lassen wir sie einfach verschwinden. Ohne Kennzeichnung aus den Augen. Für den Augenblick auch aus dem Sinn. In den Sinn gelangen sie erst dann wieder, wenn die Werbetrommel gerührt wird und der Streit um die Kennzeichnung längst im Nebel des Vergangenen verschwunden sein wird.

Dann wird die Lebensmittel-Industrie die Frohbotschaft verkünden: „Seht her, die Designer-Tomate wird gekauft. Die Menschen wollen sie.“ Wozu dann noch ein Vorsorgeprinzip?

Die Strategie ist nicht auf Jahre angelegt, sondern auf Jahrzehnte. Das Strickmuster bewährt sich noch viel länger. Für die EU stellt sich die Frage: Wollen wir das auch weiterhin?

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