"Absoluter Wahnsinn"

Deutscher Klimaaktivistin der "Letzten Generation" droht Ausweisung

APA/GEORG HOCHMUTH
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Anja Windl hat sich für das Klima bereits mehrfach auf Österreichs Straßen geklebt. Nun wurde sie vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Einvernahme hinsichtlich einer „aufenthaltsbeendenden Maßnahme“ geladen.

Der 26-jährigen Klimaaktivistin Anja Windl von der "Letzten Generation" droht ein Aufenthaltsverbot in Österreich. Das bestätigte die Deutsche am Mittwoch. Windl wurde am Donnerstag in der Früh in der Regionalstelle des Bundesamts für Asyl und Fremdenwesen (BFA) in Leoben einvernommen. "Das ist absoluter Wahnsinn. Keine der Verwaltungsstrafen gegen mich ist bisher rechtskräftig", sagte die Aktivistin.

Windl ist Deutsche, studiert in Klagenfurt und gilt als eines der Gesichter der "Letzten Generation". Die Klimaschutzgruppe rund um die Studentin erregte in den vergangenen Wochen unter anderem durch Klebe-Sitzblockaden oder verschüttetes Öl bei Protestaktionen Aufmerksamkeit. Jetzt wollen die Behörden Windl offenbar ein Aufenthaltsverbot erteilen, wie sie auch auf Instagram bekannt gab. In einer Ladung wird Windl aufgefordert, am Donnerstag zur Vorsprache im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im steirischen Leoben zu erscheinen. Als Grund führt das BFA eine "Einvernahme hinsichtlich Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme" an.

"Es wurde mein Gefährdungspotenzial relativ kleinkariert abgefragt", sagte Windl nach der Einvernahme. In Zusammenhang damit sei ihr unter anderem eine verhinderte Protestaktion beim heurigen Neujahrskonzert sowie ein Aktion in Wien, bei dem die Aktivistinnen und Aktivisten eine Ölspur am Verteilerkreis in Wien legten, vorgeworfen worden. Im Zuge des Termins sei auch nach Unterlagen zu ihrer Kranken- und Sozialversicherung gefragt worden, hieß es weiter. Insgesamt habe die Befragung rund dreieinhalb Stunden gedauert. Wie es nun weitergeht, wisse sie noch nicht. "Ich gehe aber davon aus, dass sich diese Sache noch weiter ziehen wird", so die Niederbayerin.

Sie wolle sich jedoch vom Vorgehen der Behörden nicht einschüchtern lassen. "Ich denke mir eher: Jetzt erst recht!", sagte Windl. "Es ist unser gutes Recht für das Klima zu protestieren, solange die Regierung nicht handelt." Auch bei der nächsten Protestwelle in Graz wolle sie teilnehmen.

„Nicht so easy, mich aus Österreich zu bekommen"

Sollte Windl tatsächlich ein Aufenthaltsverbot erteilt werden, kündigte sie bereits Einspruch an. "Es ist nicht so easy mich aus Österreich hinauszubekommen", so die Studentin. Sie verweist darauf, dass sie ihren Wohnsitz in Österreich habe und auch keine der Verwaltungsstrafen, die sie nach den Klebe-Blockaden erhielt, rechtskräftig sei.

Ähnlich äußerte sich am Mittwoch auch ihr Anwalt Marcus Hohenecker. "Das Vorgehen wirkt wie staatliche Repression gegen eine Aktivistin", sagte Hohenecker. "Sie hat ihren Wohnsitz in Österreich und tut nichts anderes als ihr demokratisches Recht auf Protest und Versammlungsfreiheit auszuüben", hieß es von ihm. "Sie wird sich als EU-Bürgerin wohl dort, wo sie wohnt, auch versammeln und demonstrieren dürfen."

Es sei zudem "absurd in Zeiten von 1,3-Grad-Erderwärmung und desaströsen Warnungen der Wissenschaft" Klimaaktivisten eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vorzuwerfen. "Die Aktivistin will durch ihr Handeln vielmehr die öffentliche Sicherheit schützen", erläuterte Hohenecker.

Keine Auskunft von Innenministerium

Das ÖVP-geführte Innenministerium verwies am Mittwoch darauf, dass man "aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft zu Einzelfällen" geben könne. Das Ministerium hielt jedoch fest, dass eine Ausweisung dann erteilt werde, wenn die Voraussetzungen für das Aufenthaltsrecht von EU-Bürgerinnen und Bürgern nicht vorlägen. "Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn keine Krankenversicherung abgeschlossen wurde oder keine Unterhaltsmittel nachgewiesen werden können", sagte ein Sprecher. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EU-Bürgerinnen und -Bürger sei zudem zulässig, "wenn aufgrund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist". Das persönliche Verhalten müsse jedenfalls "eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt", erklärte das Ministerium.

Eine Abschiebung von EU-Bürgerinnen und -Bürgern, gegen die ein Aufenthaltsverbot vorliegt, ist laut Ministerium erlaubt, wenn die Überwachung der Ausreise zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nötig ist, sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht nachkommen oder sie trotz Aufenthaltsverbot nach Österreich zurückgekehrt sind. "Wenn ein Aufenthaltsverbot erlassen wird, unterliegt die Entscheidung des BFA bei Beschwerdeerhebung der Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht." Einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot könne bei EU-Bürgerinnen und -Bürgern die aufschiebende Wirkung aberkannt werden, "wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist".

„Trauriger Symbolakt"

Indessen prasselte am Donnerstag scharfe Kritik auf die Behörden und das zuständige Innenministerium ein. So sei das Vorgehen des zuständigen Innenministeriums "bezeichnend für den aktuellen Umgang der Politik" mit den Mitgliedern der Klima-Protestbewegung, sagte die österreichische Medienethikerin Claudia Paganini, die sich in ihrer Arbeit mit "Hatespeech gegen Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten" befasst. "Diese Leute aus der Mitte der Gesellschaft werden kriminalisiert und an den Rand gedrängt", hieß es im Gespräch mit der Austria Presse Agentur. "Das Bedrohliche und vermeintlich Kriminelle wird ins Ausland weggeschoben. Das ist ein Phänomen unserer Zeit und passiert typischerweise in angespannten Situationen." Nachsatz: "Dabei ist es völlig egal, ob sich die Aktivisten nun 300 Kilometer weiter im Westen oder sonst wo befinden, weil das an der Sache nichts ändern wird." Die mögliche Ausweisung sei ein "trauriger Symbolakt", sagte Paganini die an der Hochschule für Philosophie München lehrt.

Kritisch äußerte sich am Donnerstag auch Europarechtler Walter Obwexer von der Universität Innsbruck im Ö1-"Morgenjournal". Bloße Verwaltungsübertretungen, selbst bei Rechtswirksamkeit, könnten kein Grund für eine Ausweisung sein, so Obwexer. Dafür bräuchte es "zunächst einmal eine schwere Straftat, wie zum Beispiel eine ganz schwere Körperverletzung oder einen Mord oder Raub und dann auch noch die Gefahr, dass eine weitere Straftat begangen wird", sagte Obwexer. "Nur eine schwere Straftat begangen zu haben und dafür rechtskräftig verurteilt worden zu sein, ohne Gefahr, dass eine weitere Straftat begangen wird, reicht für eine Ausweisung ebenfalls nicht aus."

(APA)

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