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Neuer D'Artagnan-Film: Die Rückkehr der Retro-Musketiere

Harren der Hilfe ihrer Leibgarde: Louis XIII (Louis Garrel) und Anna von Österreich (Vicky Krieps) in „Die drei Musketiere – D'Artagnan“.
Harren der Hilfe ihrer Leibgarde: Louis XIII (Louis Garrel) und Anna von Österreich (Vicky Krieps) in „Die drei Musketiere – D'Artagnan“.(c) Constantin
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D'Artagnan und seine Spießgesellen fechten in einem neuen französischen Mantel-und-Degen-Film wieder für Land und Krone. Ein restaurativer Blockbuster im Dienste Europas?

Europa müsse souveräner werden, forderte Emmanuel Macron jüngst bei einer Rede in Den Haag. Wenn die EU sich in der geopolitischen Oberliga behaupten wolle, brauche sie mehr Wettbewerbsfähigkeit und Autonomie. Was vor allem im Hinblick auf Wirtschafts- und Außenpolitik gemeint war, kann durchaus auch im (pop-)kulturellen Sinne gedeutet werden: Hier dümpelt Europa seit geraumer Zeit im Fahrwasser der USA dahin. Insbesondere gilt das für das kommerzielle Filmgeschäft, in dem großkalibrige Übersee-Blockbuster den Ton angeben und das Massenpublikum fesseln.

Frankreichs Filmbranche will dem nun etwas entgegensetzen. Dafür hat sie ihre bewährtesten Helden zum x-ten Mal aus der Reserve geholt: Die drei Musketiere dürfen wieder die Degen schwingen, in einer üppig budgetierten Leinwand-Neuauflage der berühmten Originalromane von Alexander Dumas. Auch eine Fortsetzung wurde bereits avisiert: Auf „Die drei Musketiere – D'Artagnan“ folgt im Dezember der zweite Teil mit dem Untertitel „Milady“. Beinahe ein „Dumas Cinematic Universe“ also – frei nach dem erfolgreichen US-Vorbild Marvel.

Nicht nur beim Budget, auch bei der Besetzung hat man geklotzt, statt zu kleckern: Stars von Vincent Cassel bis Vicky Krieps geben sich hier die Klinke (und die Klingen) in die Hand. Die Hauptrolle des D'Artagnan übernimmt indes der außerhalb seiner französischen Heimat noch wenig bekannte junge Hupfer François Civil. Wie in der literarischen Vorlage reist er am Anfang als ehrgeiziges Greenhorn aus der Gascogne nach Paris, um der Eliteeinheit der höfischen Polizei (sprich: den Musketieren) beizutreten.

Absichtsvoll konservatives Abenteuer

Doch noch bevor es zur kultigen Erstbegegnung zwischen dem Quereinsteiger und seinen künftigen Spießgesellen Athos, Porthos und Aramis kommt – unabhängig voneinander fordern ihn alle drei zum Duell –, wird der arglose D'Artagnan in eine Verschwörung verwickelt, angeschossen und (versehentlich) unter dunklem Gewölk in einem finsteren Wald bei lebendigem Leibe begraben: Harte Zeiten, pflichtet uns der Film bei. Und versucht fortan eine Brücke zu schlagen zwischen dem oft bedeutungsschwangeren Bierernst vieler jüngerer Großproduktionen und dem vergleichsweise unschuldigen Action-Gaudium älterer Mantel-und-Degen-Streifen von 1921 („The Three Musketeers“ mit Douglas Fairbanks) bis 1998 („Der Mann in der eisernen Maske“ mit Leo DiCaprio).

Wie? Etwa mit bewusst konservativer Dramaturgie und Figurenzeichnung: Musketiere, das sind hier noch stolze Mannen in kostbarem (oder abgewetztem) Tuch, ohne ironische Brechung. Cassel, sonst abonniert auf volatile Figuren, gibt Athos als alternden, melancholischen Edelmann. Porthos (Pio Marmaï) ist der Bonvivant, Aramis (Duris) der süffisante Schürzenjäger. Louis Garrel fügt Louis XIII in sein übliches Rollenfach des misslaunigen Neurotikers, Eric Ruf legt Kardinal Richelieu erwartbar intrigant an. Und die Frauen? Sind Heilige, Huren, Opfer oder Leichen. Freilich: Eva Green kostet die Femme-fatale-Rolle der Milady lustvoll aus, und Vicky Krieps darf Anna von Österreich (im Geiste ihrer Sisi aus „Corsage“) sogar charakterliche Nuancen angedeihen lassen.

Eher neumodisch gibt sich der von Martin Bourboulon zweckdienlich inszenierte Film in Sachen Action: Da sucht die Kamera in Plansequenzen den Nahkontakt zu sich ächzend am Boden wälzenden Kämpfern, während auf der Tonspur Bläser brummen und Pauken pumpern. „The Revenant“ lässt grüßen – wobei die Musketiere hinter diesem Vorbild zurückbleiben. Auftrumpfen können sie, wenn es um Schauplätze und Requisiten geht. Kipplaufbüchse und Dreimaster, Palais du Louvre und die historische Stadt Troyes: Es glänzt das (Kulissen-)Gold der Alten Welt. Und die moralischen Werte Europas? Kommen ein bisschen zu kurz. Da foltert Aramis einen Invaliden, was D'Artagnan aufbringt. Jeder hasse Folter, meint Porthos darauf zu ihm, „aber sonst würde niemand reden“. Hoffentlich fällt eine solche Haltung für Macron nicht auch unter „mehr Souveränität“.

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