Klimakrise

Zu hoher Bodenverbrauch: NGO klagt Republik Österreich

APA/HELMUT FOHRINGER
  • Drucken

Allrise hat beim Verfassungsgerichtshof eine Staatshaftungsklage eingereicht. Die Initiatoren sprechen von einem jahrzehntelangen Versagen der Politik.

„Jedes Jahr kommt Eisenstadt dazu“, sagt Johannes Wesemann, Initiator der NGO Allrise. Er meint damit den Bodenverbrauch in Österreich, der deutlich zu hoch sei. Aus diesem Grund hat seine Organisation am Donnerstag eine Staatshaftungsklage gegen die Republik eingereicht. Die Klage ging heute beim Verfassungsgerichtshof ein, sagte AllRise-Mitgründer und Anwalt Wolfram Proksch bei einer Pressekonferenz in Wien. Wesemann, sprach von einem "systemischen Versagen", das den Bodenschutz unzulänglich mache und massive Schäden zur Folge hätte.

Die Konsequenzen des jahrzehntelangen politischen Versagens hätte der Bürger zu tragen, so Wesemann. "Wir glauben, dass der Kampf gegen die Klimakrise zu einem Gutteil auf den Gerichtshöfen stattfinden wird, weil wir einfach klare Entscheidungen brauchen und die Politik diese nicht liefert." Die Österreicherinnen und Österreicher können auf 37 Prozent der Fläche leben oder diese bewirtschaften. "Das ist nicht sehr viel", meinte Wesemann. Der Bodenverbrauch in Österreich ist hoch. "Ein Fünftel unserer Fläche ist schon verbaut. Das ist die doppelte Größe Vorarlbergs."

Täglich 11,3 Hektar Boden verbraucht

Flächen- oder Bodenversiegelung bezeichnet die wasser- und luftdichte Abdeckung des Bodens. Das hat eine Reihe ökologischer Konsequenzen, unter anderen geht produktiver Boden dauerhaft verloren. Etwa 11,3 Hektar an Fläche wird in Österreich täglich verbraucht, rund die Hälfte davon auch versiegelt. Im türkis-grünen Regierungsprogramm ist von einem Zielpfad zur Reduktion des Flächenverbrauchs auf 2,5 Hektar am Tag die Rede, aber gesetzliche Vorgaben fehlen weiterhin. Allein Niederösterreich verbraucht 2,5 Hektar Boden pro Tag, Oberösterreich 2,2 Hektar täglich. Das wären eigentlich die Vorgaben für ganz Österreich. Aufgrund dessen hat AllRise nun die Staatshaftungsklage nicht nur gegen die Republik, sondern auch gegen die Bundesländer Nieder- und Oberösterreich eingereicht.

"Auch wenn wir in unserer Klage nur Nieder- und Oberösterreich als Bundesländer führen, so sehen wir auch bei den anderen sieben Bundesländern Versäumnisse und behalten uns vor, auch diese zu einem späteren Zeitpunkt zu klagen", so Proksch, der den Schriftsatz mit gemeinsam mit seiner Kollegin Theresa Stachowitz formuliert hat. In der Klagschrift stellen die Kläger den Beklagten zudem frei, den übrigen Bundesländern - sofern diese den Schaden aus der Sicht der Beklagten mitverursacht haben - den Streit zu verkünden bzw. im Unterliegensfall Ersatzansprüche zu erheben.

Enorme Kosten für Österreich

Die Klage stützt sich insbesondere auf die fehlende Umsetzung diverser EU-Richtlinien. Auch die Zersplitterung der Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und damit einhergehend eine fehlende nationale Bodenschutzstrategie werden kritisiert: "Die Nicht-Umsetzung der Richtlinien sowie die fehlende Abstimmung auf Bundesebene führte und führt zu immer neuen Genehmigungen von Bauvorhaben und überbordendem Bodenverbrauch", erklärte Proksch. Und Österreich sei bereits mehrmals von der EU-Kommission auf fehlende Maßnahmen hingewiesen worden. AllRise rechnete vor, dass durch Vertragsverletzungsverfahren enorme Kosten auf Österreich zukommen werden.

Durch dieses Nichtumsetzen sei für jede Österreicherin und jeden Österreicher als Steuerzahler ein "erheblicher Schaden" bereits entstanden bzw. würde laufend weiterer Schaden entstehen, etwa durch Strafzahlungen, erklärte Proksch. Das, was Österreich bis jetzt für den Ankauf von Emissionszertifikaten wegen Nichtumsetzen der Klimaziele der Europäischen Union budgetiert hat bzw. was bis 2030 budgetiert wurde, liegt laut dem Anwalt im Milliardenbereich. "Wir reden hier von vier bis neun Milliarden Euro für die Kaufsumme der notwendigen Emissionszertifikate." Wenn diese Zertifikate nicht erworben werden und nicht ausreichend Klimaschutz betrieben werde, drohen Vertragsverletzungen in Form von Strafzahlungen.

Entscheidung das VfGH in wenigen Wochen erwartet

Die NGO habe von einem Institut errechnen lassen, dass bereits jetzt schon ein Schaden in der Höhe von acht Milliarden Euro jährlich auf Österreich zukommen wird aufgrund von Anpassungskosten in der Volkswirtschaft, so Proksch. "Jeder von uns hat ca. einen Tausender im Mittel pro Jahr schon dazu beizutragen, dass wir keine hinreichenden Klimawandelbekämpfungsmaßnahmen gesetzt haben." Auch 5000 vorzeitige Todesfälle seien pro Jahr aufgrund der Klimaerwärmung zu beklagen, dazu kommen massive Belastungen der Gesundheit etwa durch Feinstaub.

Die NGO geht davon aus, dass der Verfassungsgerichtshof die Klage annimmt. In wenigen Wochen sollte feststehen, wie die Richterinnen bzw. Richter entscheiden.

Durch Crowdfunding-Kampagne finanziert

Das Vorhaben wurde über eine Crowdfunding-Kampagne finanziert. 25.000 Euro konnten gesammelt werden. Die Aktion läuft noch bis Ende Mai, um das Ziel vor 32.000 Euro zu erreichen, damit auch unmittelbar Betroffene von geplanten Bauprojekten bei weiteren juristischen Schritten unterstützt werden können, sagte Wesemann. Rund 60 Menschen aus ganz Österreich haben sich bei der NGO gemeldet, die von neuen Bauprojekten betroffen sind, deren Mehrwert für die Region mehr als umstritten seien. Zudem sei man mit Gemeinden und Bürgerinitiativen in Kontakt.

"Unser globales Ökosystem besteht nicht nur aus Luft, das ist eine ganz starke Interaktion zwischen allen Elementen", sagte die Meteorologin und Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb, die das Vorhaben unterstützt. "Da ist der Boden ein ganz wesentlicher Faktor in der Klimadiskussion." Und der Boden werde sehr oft übersehen. "Er ist ein Ökosystem. Es leben in diesem Boden unheimlich viele Lebewesen, die wir ganz dringend brauchen für den Erhalt unserer Natur, für das gesamte Ökosystem", erklärte die Wissenschafterin.

„Mehr Versiegelung, mehr Klimawandel"

Die Versiegelung sei auch ein Maß dafür, wie viele CO2-Emissionen ein Staat hat, und auch ein Maß, wie viele Ressourcen verbraucht werden. "Wir leben in einer Zeit, wo die Ressourcen knapper werden. Mehr Versiegelung heißt, mehr Ressourcenverbrauch und mehr Klimawandel. Das ist ein Zusammenhang, der oft nicht gesehen wird." Eine Versiegelung sei unglaublich langlebig. "Siedlungen werden nicht innerhalb von zehn Jahren wieder weggerissen. Wir drücken der Landschaft mit der Versiegelung einen Stempel auf, der sich lange, lange Zeit hält."

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.