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Macrons teurer Plan für eine strategische Autonomie Europas

Bastille Day celebrations in Paris
Bastille Day celebrations in ParisREUTERS
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Frankreichs Präsident will ab Ende Mai durch die EU-Mitgliedstaaten touren, um sein Modell einer strategischen Autonomie zu bewerben. Es geht auch um hohe Subventionen.

Seit seiner Rede an der Sorbonne 2017 kämpft er erfolglos darum. Doch der Ukraine-Krieg und die nahende Präsidentenwahl in den USA spielen Frankreichs Präsidenten, Emmanuel Macrons Wunschmodell einer strategischen Souveränität Europas in die Hände. Ab 31. Mai will er durch die EU-Hauptstädte reisen, um dafür Überzeugungsarbeit zu leisten. Was umfasst sein Plan und wo liegen die Fallstricke? Ein Überblick:

1. Eine Sicherheitspolitik abseits der USA mit eigener Waffenschmiede

Macron ist nicht der erste französische Präsident, der die Bedeutung der Nato zugunsten einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft abwerten möchte. Auch wenn er angesichts des Ukraine-Kriegs nicht eben belegen kann, dass das transatlantische Bündnis „hirntot“ ist, wie er 2019 behauptet hatte, so kann er zumindest mit der Unsicherheit vor der anstehenden US-Präsidentenwahl 2024 argumentieren. Wird Europa dann noch Hilfe gegen einen Aggressor im Kreml erhalten? Im Fall einer Wahl von Donald Trump wohl nur noch eingeschränkt. Macron will vorbeugen: mit der Entwicklung eigener europäischer Waffensysteme, mit dem Aufbau einer eigenständigen Rüstungsindustrie, mit einer engeren militärischen Kooperation in der EU. Europa soll zudem die politische Dimension von Waffenexporten nutzen, um seine internationale Position zu stärken. Klingt alles logisch, doch Frankreich hat auch Eigeninteressen: vier der fünf größten Rüstungsunternehmen der EU (Airbus, Thales, Dassault, Safran) sind zu einem großen Teil beziehungsweise überwiegend in französischer Hand.

2. Energieabhängigkeit muss noch rascher reduziert werden

Der Ukraine-Krieg hat es aufgezeigt: Die Energieabhängigkeit von Drittstaaten ist eine der größten strategischen Gefahren für die EU. Macron hat eine Antwort darauf. Er wirbt für mehr erneuerbare Energie und mehr Kernkraft, wie er bei einer Rede in Den Haag im April betonte. Beides soll über gestützte Finanzierungen ausgebaut werden – und das am liebsten europaweit mit französischer Technologie. Insbesondere in Osteuropa, wo nach wie vor große Abhängigkeit von russischer AKW-Technologie besteht, könnte er damit punkten. Geforscht wird in Frankreich beispielsweise an einer besseren Aufbereitung und effizienteren Nutzung von Brennstäben. Doch einstweilen ist Frankreich selbst auf Uran aus Russland angewiesen. Wie groß die Abhängigkeit noch ist, darüber hüllt sich Macrons Regierung in Schweigen. Während Paris für Öl- und Gas-Embargos eintritt, bremst es dabei, Uran auf die EU-Sanktionsliste zu setzen. Und Frankreich macht ungeachtet des Ukraine-Kriegs noch immer Geschäfte mit dem russischen Staatskonzern Rosatom. Laut Recherchen der ARD-„Tagesschau“ gibt es beispielsweise eine enge Kooperation im AKW-Turbinenbau.

3. Mit einer neuen Industriepolitik zu mehr Wettbewerbsfähigkeit

Kern von Macrons Plan ist eine neue Industriepolitik für die EU. Offen gesteht der französische Präsident ein, dass es ihm dabei auch um das Brechen von bisherigen Tabus in der Marktwirtschaft geht. Angesichts des 433 Milliarden Dollar schweren amerikanischen Inflation Reduction Act, mit dem Investitionen in neue klimafreundliche Technologien, Energiesicherheit, Gesundheitswesen etc. subventioniert werden sollen, wirbt Macron auch für einen solchen Investitionsschub in Europa – und will damit die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Unternehmen international stärken. Und er möchte die Produktion für heikle Bereiche mit großer Abhängigkeit von Drittländern wieder nach Europa zurückholen. Am Rande seines jüngsten Besuchs in China stellte der französische Präsident klar, dass „strategische Autonomie nicht Autokratie“ bedeute. Mit Drittstaaten wie China oder anderen Großmächten gebe es noch immer Geschäftsmöglichkeiten in Sektoren, in denen die nationale Sicherheit nicht gefährdet sei, wie etwa in der Landwirtschaft. „Das ist der Unterschied zwischen Risikoabbau und Abkoppelung“, betonte Macron. Geht es um französische Interessen, ist diese Trennung freilich nicht ganz so exakt. So schloss Macron zur selben Gelegenheit in Peking neue Kooperationsverträge in sensiblen Technologiebereichen ab – darunter Atomtechnik und Flugzeugbau.

Wenn der französische Präsident die Industriepolitik in den Mittelpunkt stellt, geht es ihm vor allem um Investitionen, von denen EU-Unternehmen langfristig profitieren sollen. Diese, so seine klare Forderung, müssten mit nationalen und EU-Fonds – also zu einem Gutteil mit öffentlichen Geldern – ermöglicht werden. Die deutsche Regierung, die bei neuen Schulden sensibler ist, warnte denn auch, dass die EU damit einen internationalen Subventionswettlauf befeuern könnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2023)

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