Leitartikel

Die Sozialdemokratie darf nicht zur „Spaß Partei Österreichs“ werden

So eine Art von Auszählungsfehler habe es seit 50 Jahren nicht gegeben.
So eine Art von Auszählungsfehler habe es seit 50 Jahren nicht gegeben.APA/HELMUT FOHRINGER
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Was im ersten Moment zum Lachen und Schenkelklopfen einlädt, ist auf den zweiten Blick ein ernstes Problem für die SPÖ. Und damit für die Demokratie.

Ein Glück, dass sich Leitartikel zur Not auch mit offenem Mund schreiben lassen. Was heute notwendig ist, weil die Nachricht aus der SPÖ-Zentrale alle hier in der Redaktion, die meisten im ganzen Land und wohl auch viele weit darüber hinaus bass erstaunt zurücklässt. Um es zurückhaltend wie altmodisch zu formulieren. Und weil man Unglaubliches besser verarbeiten kann, wenn man es noch einmal hinschreibt: Die SPÖ hat nach einem monatelangen, teilweise chaotischen, immer aber beinharten Führungsstreit den falschen Mann zum neuen Parteichef gekürt, weil am Samstag bei dem Sonderparteitag in Linz die Ergebnisse der beiden Kandidaten bei der Auszählung vertauscht worden sind.

Das ist im ersten Moment (und auch noch im zweiten) natürlich eine großartige Geschichte, die an Absurdität nicht mehr zu überbieten ist. Eine Geschichte, die man sich nicht ausdenken kann. Beispiellos nicht nur hier in Österreich. „Die Presse“-Doyenne Anneliese Rohrer meint am Telefon, so etwas habe es in 50 Jahren nicht gegeben. Man kann getrost einen Schritt weiter gehen: überhaupt noch nicht. Doch dann, immer noch mit offenem Mund, dämmert einem schnell, das ist nicht die „Spaß Partei Österreichs“, die das vermurkst hat, sondern die Sozialdemokratische Partei, eine der verlässlichen Säulen der Zweiten Republik.

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