Allianz mit Microsoft: Nokia setzt auf Windows Phone 7

Erdbeben Nokia Allianz Microsoft
Erdbeben Nokia Allianz Microsoft(c) NOKIA
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Das Microsoft-System soll auf künftigen Nokia-Smartphones eingesetzt werden. Der Ovi Store geht in den Microsoft Marketplace über. Nokia Maps wird mit Bing gemeinsame Sache machen.

Nokia macht gemeinsame Sache mit Microsoft. Stunden, bevor Firmenchef Stephen Elop in London vor die Presse treten will, ist die Neuigkeit schon bekannt. Windows Phone 7 soll das primäre Betriebssystem für Nokia-Smartphones werden. Der finnische Handyproduzent gibt damit seinem bisher gepflegten Symbian-Betriebssystem im Premium-Segment de facto den Todesstoß. Elop hofft, dadurch gemeinsam mit dem neuen Partner ein "globales Ökosystem" auf die Beine stellen zu können. Microsoft-Chef Steve Ballmer wiederum zeigte sich "aufgeregt" über die Partnerschaft mit Nokia.

Windows Phone auf Nokia-Handys

Um 11.00 Uhr will Elop vor die Öffentlichkeit treten, um die Allianz zu verkünden. Nokia hat auf seiner Website aber bereits eine Aussendung veröffentlicht, in der die Eckpunkte der Partnerschaft dargelegt werden. Nokia wird Microsofts Smartphone-Betriebssystem Windows Phone 7 adoptieren und gleichzeitig auch an dessen Entwicklung teilhaben. Die Microsoft-Suchmaschine Bing soll ebenfalls integriert werden und gemeinsame Sache mit dem bereits existierenden Navigationsdienst Nokia Maps machen. Microsofts Anzeigenwerbungs-System soll für Einnahmen sorgen. Steve Ballmer versicherte aber, dass Windows Phone 7 jetzt nicht nur exklusiv auf Nokia-Geräten eingesetzt werden soll.

Ovi Store geht in Microsoft Marketplace über

Ein besonders spannender Punkt ist die angekündigte Integration von "Nokias Inhalts- und Anwendungs-Shop" in den Microsoft Marketplace. Das bedeutet, dass Nokias bisher eher mäßig laufender Ovi Store in Microsofts Angebot für Windows Phones aufgehen wird. Für Microsoft bedeutet das eine drastische Vergrößerung der möglichen Software, die für Windows Phones angeboten werden kann. Die eher geringe Anzahl der Apps ist bisher ein großer Kritikpunkt an Microsofts Handy-System gewesen. Allerdings müssen die Ovi-Apps erst auf das neue System angepasst werden.

Symbian und MeeGo nur noch nebenbei

Windows Phone auf Nokia-Geräten
Windows Phone auf Nokia-Geräten(c) Nokia

Das bisher forcierte Symbian soll weiterhin existieren. Allerdings wird es nur noch als Franchise vertrieben werden. Nokia schreibt, man wolle die 200 Millionen Symbian-Nutzer weltweit behalten. Weiters sollen noch 150 Millionen weitere Symbian-Geräte verkauft werden, bis alle Nokia-Geräte mit Windows Phone 7 verfügbar sind. Das erst 2010 vorgestellte MeeGo wird als Open-Source-Plattform ebenfalls existieren. Nokias Engagement diesbezüglich ist deutlich reduziert. Das Unternehmen plant aber, noch im Lauf des Jahres ein Produkt mit dem Betriebssystem an Bord zu veröffentlichen. Ob das ein Handy oder Tablet sein wird, ist unbekannt. Elop erklärte während der Pressekonferenz in London, dass MeeGo gewissermaßen eine Lernhilfe sein soll, um zukünftige Trends erkennen zu können.

Nokia-Aktie im Sinkflug

Microsofts Betriebssystem wird von Experten als technologisch ausgereift und modern gelobt, von den Verbrauchern ist es bisher allerdings noch nicht auf breiter Front angenommen worden. Nokia erklärte, 2011 und 2012 seien Übergangsjahre für den Aufbau der Partnerschaft mit Microsoft. Am Aktienmarkt kamen die Aussichten am Freitagmorgen überhaupt nicht gut an: Die Nokia-Papiere stürzten teilweise um fast 14 Prozent ab.

Alte Strategie gescheitert

"Diese Partnerschaft gründet auf der Angst beider Seiten, von Apple und Google an den Rand gedrückt zu werden. Aber sie ist keine Patentlösung für die Probleme", urteilte Analyst Geoff Blaber von CCS Insight. "Das ist eine Offenbarung, dass Nokia mit seiner Plattform-Strategie auf ganzer Linie gescheitert ist und es betont den Ernst der Lage für das Unternehmen. Solch ein Schritt wäre noch vor zwölf Monaten undenkbar gewesen", sagte Blaber.

"Nokia, unsere Plattform brennt"

Schon im Vorfeld machte Nokia-Chef Elop deutlich, dass sich in seinem Unternehmen einiges ändern muss. Der weltgrößte Handy-Hersteller verliert schnell an Boden gegen erfolgreichere Rivalen wie Apple mit seinem iPhone und Hersteller von Telefonen mit dem Google-Betriebssystem Android. In einer Brandrede hatte Elop Nokia mit einer "brennenden Bohrinsel" ("burning platform") verglichen und die Mitarbeiter auf einen "Sprung ins kalte Wasser" vorbereitet.

"Smart Devices" und "Mobile Phones"

Ab April will Nokia sich in zwei neuen Geschäftseinheiten präsentieren: "Smart Devices" und "Mobile Phones". Unter ersterer soll dort auch die Entwicklung des Windows Phone-Portfolios geschehen. Die Allianz kommt nicht unerwartet. Branchenkenner hatten selbige bereits im Vorfeld vermutet. Elop war früher Leiter von Microsofts Office-Sparte. Böse Zungen hatten gemunkelt, Steve Ballmer hätte Elop bewusst zu Nokia gehen lassen, um die Allianz einzufädeln. Auch der gleichzeitig mit der Nokia-Allianz verkündete Umbau der Führungsriege war bereits vor Tagen vermutet worden. Allerdings fiel er weniger drastisch aus, als gedacht. Nur ein Top-Manager nahm seinen Hut.

(db/Ag.)

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