Eine Strafrechtlerin hat die Verhandlungsführung im Tierschützer-Prozess öffentlich kritisiert. Die Richtervereinigung wittert nun Verleumdung "oder einen anderen Tatbestand".
Die Vereinigung der Österreichischen Richterinnen und Richter hat am Montagnachmittag ihre umstrittene Vorgangsweise gegen die Linzer Strafrechtsprofessorin Petra Velten verteidigt und zugleich bekräftigt.
Die Richtervereinigung hatte gegen Velten rechtliche Schritte in die Wege geleitet, nachdem diese die Verhandlungsführung im Wiener Neustädter Tierschützer-Prozess als "mit der Strafprozessordnung und der Menschenrechtskonvention unvereinbar" bezeichnet hatte.
Verleumdung "oder anderer Tatbestand"?
"Jede Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen. Sie sind in jedem Fall dort, wo die Unparteilichkeit und das Ansehen der Justiz gefährdet ist", bemerkte der Präsident der Richtervereinigung, Werner Zinkl. Daher habe man bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt "eine Überprüfung der Aussagen Veltens angeregt".
Die Staatsanwaltschaft möge feststellen, ob Velten mit ihren Äußerungen über die Tierschützer-Richterin Sonja Arleth den Tatbestand der Verleumdung "oder einen anderen Tatbestand" erfüllt habe, so Zinkl.
Ermittlungen frühestens kommende Woche
Wie Gabriele Lutschounig, die Mediensprecherin der Klagenfurter Anklagebehörde, der APA erklärte, liege entgegen einiger Medienberichte gegen Velten derzeit keine Anzeige oder Sachverhaltsdarstellung vor: "Wir wurden von der Richtervereinigung aufgefordert, ihre Aussagen zu prüfen, wozu wir an sich ja auch von Amts wegen verpflichtet sind."
Ob tatsächlich Ermittlungen aufgenommen werden und damit ein mögliches Strafverfahren gegen die Strafrechtlerin in Gang gesetzt wird, wird sich laut Lutschounig frühestens in der kommenden Woche herausstellen.
Veltens hatte als Besucherin einen Verhandlungstag im Tierschützer-Verfahren erlebt und ihre diesbezüglichen Wahrnehmungen später ausführlich in einem Fachmagazin publiziert, mehrere Medien gaben ihre Ansichten dann wieder.
"Kritik geht ein bisschen zu weit"
Für den Präsidenten der Richtervereinigung "geht ihre Kritik ein bisschen zu weit. So etwas haben wir bisher nicht erlebt, dass sich Vertreter der Lehre zu einem laufenden Verfahren äußern und ihre Experten-Meinung über Medien transportieren".
Wortmeldungen von Politikern zu laufenden Verfahren seien "nicht zulässig, aber durchaus nicht unüblich. Dass jetzt auch Vertreter der Lehre auf diesen Karren aufspringen, bitte schön, das kann nicht sein", meinte Zinkl.
Kritik an der Justiz sei zwar grundsätzlich wichtig und erwünscht, "aber das so zu äußern, ist im derzeitigen Verfahrensstadium unangebracht. Diese Kritik ist zur falschen Zeit gekommen", bemerkte Zinkl.
Experten: Reaktion nicht nachvollziehbar
Für den Innsbrucker Strafrechtsprofessor Andreas Scheil ist die Reaktion der Richtervereinigung nicht nachvollziehbar. "Das muss man der Richtervereinigung vorwerfen, dass sie zu so einem Instrument greift, obwohl sie wissen müsste, dass das chancenlos ist und nur schlechtes Blut macht", gab er im Ö1-Mittagsjournal zu bedenken.
Der Wiener Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk ortete rechtsstaatliche Bedenken, "denn es muss ja wohl möglich sein, in einem öffentlich geführten Verfahren Kritik an der Verfahrensführung anzubringen."