Für den OeNB-Gouverneur hat der Kampf gegen die Teuerung Priorität. Im vierten Quartal erwartet er Entspannung. Druck aus der Politik, die Zinsen niedrig zu halten, verspürt Nowotny nicht.
Wien/Dow jones/Stef. Dem österreichischen Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny bereitet die Teuerung in der Eurozone Sorge: „Natürlich sind wir beunruhigt“, sagte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Dow Jones. Die Inflationsrate war zuletzt wegen der steigenden Preise für Lebensmittel und Energie in der Eurozone auf 2,4 Prozent geklettert. Damit liegt sie deutlich über dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) vorgegebenen Ziel von maximal zwei Prozent.
Zwar sei die Bewahrung von Preisstabilität nach wie vor die „erste und wichtigste Pflicht“ der Zentralbank in Frankfurt. Von einer überraschenden Zinserhöhung, um dem Markt Liquidität zu entziehen, will Nowotny derzeit aber nichts wissen. „Wir wollen sehen, ob es ein Trend oder nur eine kurzfristige Entwicklung ist“, meint er. Viele Ökonomen äußerten in jüngster Zeit die Sorge eines Inflationsschubs. Dazu habe vor allem die US-Notenbank Fed mit ihrem milliardenschweren Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen beigetragen.
"Die Notenbanken agieren in der Krise wie gehabt: Sie fluten die Welt mit Geld. Mit mehr Geld als je zuvor. Auch die Regierungen pumpen Billionen in die Wirtschaft, die die Steuerzahler von heute, morgen und übermorgen mit Schulden in Rekordhöhe belasten",schreibt Henrik Müller in seinem Buch "Sprengsatz Inflation". (c) Campus Verlag
Dies sei der "Nährboden für künftige Inflationsschocks - für die Enteignung der Gläubiger und Sparer zugunsten der Schuldner. Für die Zerstörung der Geldordnung", sagt Müller, stellvertretender Chefredakteur des Manager-Magazins. (c) Campus Verlag
"In der Welt nach der großen Krise ist Inflation der scheinbar leichteste Ausweg. Alle übrigen Optionen - Sparen, hohe Steuern und Abgaben, niedrige staatliche Leistungen - sind hart, unpopulär und extrem langwierig", so Müller. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Die Verrohung der monetären Sitten sei bereits in vollem Gange. Die Frage sei nicht, ob eine Phase höherer Inflationsraten komme, sondern wie hoch diese Raten sein werden. (c) Reuters
Es könne passieren, dass westliche Länder am Ende von 200 Prozent Inflation geplagt sein werden, obwohl sie doch nur zwei Prozent wollten, befürchtet auch der Harvard-Professor Kenneth Rogoff, ehemaliger IWF-Chefvolkswirt.Er hat sich wiederholt für eine "kontrollierte Inflation" von sechs Prozent ausgesprochen, um so Staatshaushalte unauffällig zu entschulden. (c) EPA (JEON HEON-KYUN)
Tatsächlich scheint es so, als werde der Begriff "Geldwertstabilität" neu definiert. Galt bislang ein jährlicher Anstieg der Verbraucherpreise von 1,5 bis drei Prozent als anstrebbar, hat IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard (im Bild) mit einem Vorstoß für Aufsehen gesorgt.Er legte den Notenbanken nahe, künftig etwa vier Prozent Inflation zuzulassen. (c) Reuters (Ho New)
In einem Kommentar für "Spiegel Online" warnt Müller davor, dass Inflation die Demokratie zerstöre: "Wer mit der Inflation spielt, der spielt mit dem Kern der Demokratie - dem Vertrauen der Bürger in die Institutionen ihres Staates". (c) Bilderbox.com
Steigende Preise seien nichts anderes als kalte Enteignung: "Inflation ist undemokratisch: Während das Parlament über Steuern und Etatkürzungen offen diskutiert und nachvollziehbar Entscheidungen fällt, breitet sich die Inflation heimlich, still und leise aus". (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Und von einer Seite sei wenig Hilfe zu erwarten: Von den Zentralbanken. "Das Zentralbanking wird zunehmend politisiert", sagt Princeton-Professor Harold James:"Offenbar verändert sich in Amerika der gesellschaftliche Stabilitätskonsens. Wenn eine demokratische Gesellschaft mehr Inflation wünscht, dann verändert sie ihre Institutionen. So einfach ist das". (c) AP (Charles Dharapak)
Eine Entschuldung über Inflation kommt der Politik entgegen. Zwar ist diese nicht nachhaltig und verantwortungsvoll - aber sie nützt Finanzpolitikern kurz- und mittelfristig.Denn bei beginnender Inflation steigen typischerweise Wachstum und Beschäftigung. Dadurch werden auch höhere Steuereinnahmen in die Staatskassen gespült, die Schulden können leichter bedient werden. (c) AP (Virginia Mayo)
Die Kehrseite ist, dass alle positiven Effekte durch steigende Preise langfristig zunichte gemacht werden, führt Müller in seinem Buch aus. Die Staatsausgaben steigen wieder und auch der Schuldendienst verteuert sich.Doch ein Vorteil überwiegt: "Das sind Probleme für später - für die nächste Regierung. Kurzfristig kalkulierende Politiker interessieren solche langfristigen Auswirkungen kaum". (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Die Geldwert-Bombe tickt
EZB „unabhängige Notenbank“
Druck aus der Politik, die Zinsen niedrig zu halten, verspürt Nowotny nicht – trotz öffentlicher Kommentare von Frankreichs Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, wonach die EZB ihren Teil zur Erholung der Konjunktur beitragen müsse. „Den Politikern ist klar, dass unsere Hauptaufgabe die Bewahrung der Preisstabilität ist. Druck gibt es nicht. Die EZB ist die unabhängigste Notenbank der Welt. Und das wird auch so bleiben“, meint Nowotny.