Justizministerin Bandion-Ortner überlegt sich "gesetzliche Verschärfungen". Strasser selbst tritt für eine "restlose Aufklärung" ein, er will bis zu Klärung aller Vorwürfe keine öffentlichen Erklärungen mehr abgeben.
Nachwehen nach der Lobbyisten-Affäre von Ernst Strasser. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner kündigte noch für heuer ein "Lobbyistengesetz" an. "Ich überlege mir gesetzliche Verschärfungen", sagte die Justizministerin. Sie wolle auf nationaler Ebene "Klarheit" schaffen, man müsse diesen Bereich regeln, es sei mehr Transparenz erforderlich. Man sei bereits dabei, die erforderlichen Maßnahmen auszuarbeiten, umgesetzt werden sollten diese "bald", auf jeden Fall noch in diesem Jahr.
Für ein Verhalten wie jenes von Strasser gebe es jedenfalls "null Toleranz", so Bandion-Ortner. Die Staatsanwaltschaft ermittle bereits "auf Hochtouren".
Strasser hatte am Sonntag auf Druck der ÖVP-Spitze sein Mandat im EU-Parlament niedergelegt, nachdem ein Video veröffentlicht worden war, wo er als Lobbyisten getarnten Journalisten der "Sunday Times" gegenüber Bereitschaft signalisiert hatte, gegen Zahlungen für sie bei einem Gesetzesantrag zu lobbyieren.
Strasser für "restlose Aufklärung"
Ernst Strasser selbst hat am Dienstag in einer Aussendung betont, dass es weder "eine Vereinbarung noch Geldflüsse zwischen ihm und der englischen Scheinfirma" gegeben habe. In einer Aussendung hieß es weiter, Strasser werde "aufgrund der jüngsten Vorkommnisse, verbunden mit zahllosen unhaltbaren Untergriffen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als EU-Parlamentsabgeordneten bis zur endgültigen Klärung und Entkräftung aller Vorwürfe keine öffentlichen Erklärungen abgeben." Das betreffe alle Arten von medialen Anfragen.
Für alle Behörden, die mit der Klärung der Sachlage beauftragt sind, werde Strasser aber uneingeschränkt zur Verfügung stehen.
Ernst Strasser wird vorgeworfen, sich von als Lobbyisten getarnten Journalisten der ''Sunday Times'' bestochen haben zu lassen. Nach langen Ermittlungen hat die Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien im August Anklage wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit erhoben. Am 26. November startete der Prozess. (c) APN (Kerstin Joensson)
Strasser stellt die Affäre als "Geheimdienst"-Intrige dar, die er selbst aufzudecken versuchte. Er habe zunächst begründeten Verdacht gehabt, dass eine Scheinfirma hinter den vermeintlichen Lobbyisten stehe und dann ein Corporate Intelligence Unternehmen damit beauftragt, das vermeintliche Lobbying-Unternehmen zu durchleuchten - eine Firma, an der Strasser selbst beteiligt ist. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Seine Parteikollegen konnte er aber nicht von dieser Version überzeugen. Der mittlerweile zurückgetretene ÖVP-Chef Josef Pröll forderte nach Erscheinen des Berichts den "umgehenden Rücktritt". Am 20. März 2011 reichte Strasser ihn ein.
Die Affäre gilt als Höhepunkt einer Serie von Berichten, die schon bisher ein äußerst ausgeprägtes Naheverhältnis des früheren Innenministers zum Lobbyismus nahelegten. Wie das Magazin "profil", das die Lobby-Geschichte in Österreich aufbrachte, schon im Februar 2011 berichtete, kassierte Strasser von dem Lobbyisten Peter Hochegger zwischen 2006 und 2008 einen Betrag von 100.000 Euro. (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
Schon einmal war Strasser zurückgetreten, nämlich als Innenminister im Schüssel-Kabinett im Dezember 2004 - damals freiwillig und überraschend. (c) AP (Ronald Zak)
Als Innenminister handelte sich Strasser mit seiner Asylpolitik ein Hardliner-Image ein. Außerdem musste er mit dem Vorwurf leben, das Ressort politisch umgefärbt zu haben. E-Mails, in denen parteipolitische Postenbesetzungen im Ressort belegt wurden, sorgten für Aufregung. (c) FABRY Clemens
2009 zog Strasser als Delegationsleiter der ÖVP ins EU-Parlament ein. (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
Auch wenn Strassers Karriere von Niederösterreich ausging, ist er eigentlich Oberösterreicher. Geboren wurde er am 29. April 1956 in Grieskirchen als erstes von sechs Kindern eines Landwirteehepaars. 1981 schloss er in Salzburg sein Jus-Studium mit der Promotion ab. Er arbeitete zunächst als Obmann der ÖVP-nahen "Österreichischen Studentenunion", dann als Direktionssekretär des Bauernbundes, als Rechtsreferent des oberösterreichischen Bauernbundes und als Gemeinderat in Grieskirchen. (c) FABRY Clemens
1987 berief ihn der damalige Landwirtschaftsminister Josef Riegler zu seinem Sekretär, zwei Jahre später wurde Strasser stellvertretender Kabinettschef von Vizekanzler Riegler. Der eigentliche Aufstieg Strassers war aber mit der niederösterreichischen Partei verbunden. Dort war er Landesgeschäftsführer ebenso wie Klubobmann, bevor er zum Minister nominiert wurde. (c) APA (Roland Schlager
Strasser stolpert über Bestechungs-Affäre
Fekter: Verhalten Strassers "sehr enttäuschend"
Für die Regierungsmitglieder der ÖVP ist mit dem Rücktritt Strassers die notwendige Konsequenz gezogen. Parteichef Josef Pröll habe rasch gehandelt, erklärten die ÖVP-Minister am Dienstag vor der Ministerratssitzung. Vizeparteichefin Maria Fekter sagte, das Verhalten Strassers sei "sehr enttäuschend", jetzt seien die Ermittlungsbehörden am Zug.
Ob Strasser aus der Partei ausgeschlossen werden soll, wollte keiner der ÖVP-Minister klar beantworten, man verwies auf die Parteigremien. Zuerst solle die strafrechtliche Relevanz ermittelt werden, sagte Fekter, die das Ansehen Österreichs durch Strassers Verhalten "mit Sicherheit" geschädigt sieht. Ob es dann zu einem Parteiausschluss kommt, werden die Gremien zu entscheiden haben, so die Innenministerin. Pröll habe jedenfalls richtig gehandelt und gesagt, "dass das keinen Platz hat."
Für Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka ist das jetzt "nicht die entscheidende Frage", die Partei habe jedenfalls "rasch und richtig" gehandelt. Und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner sagte auf diese Frage, man müsse sich nun einmal den Sachverhalt genau ansehen. Er habe das Video der "Sunday Times" gesehen, dieses sei "relativ eindeutig", so der Minister.
Nur der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter spricht Klartext: Er würde einen Antrag auf einen Ausschluss von Ernst Strasser aus der ÖVP "sehr unterstützen". Seine Begründung: "Ich bin sehr enttäuscht und äußerst verärgert über die Machenschaften von Ernst Strasser, die bekanntgeworden sind. Ich schäme mich, dass ein ÖVP-Politiker sich mit solch unlauteren Dingen beschäftigt hat."
Von der Optik her macht es den Eindruck, als würden sich Banken Lobbyisten im Parlament halten. Doch Michael Ikrath widerspricht. Nein, er sehe sich nicht als solchen, sagt der ÖVP-Abgeordnete, im Zivilberuf Generalsekretär des Sparkassenverbandes. „Wäre ich ein reiner Banken-Lobbyist, hätten mich meine Kollegen im Nationalrat nach einem halben Jahr ins Eck gestellt.“ So aber sitze er auch im Justiz- und im Landesverteidigungsausschuss. Und es seien von Bankenseite schon auch Vorschläge für Gesetzesänderungen an ihn herangetragen worden, „die bei mir aber auf taube Ohren gestoßen sind“. Die Bankenabgabe habe er schließlich auch nicht verhindern können. von Oliver Pink und Thomas Prior APA (Hochmuth)
Wieso Ikrath dann in die Politik gegangen ist? „Es hat uns im Sparkassenverband jahrelang geärgert, dass so viele Abgeordnete so wenig Ahnung von Wirtschaft haben. Ich habe dann 2002 die Chance bekommen, meine Kompetenz hier einzubringen.“ Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort. Davon würde letzten Endes „auch unsere Gruppe“ profitieren. APA
Ein ähnlich gelagerter Fall ist Ferdinand Maier, ebenfalls ÖVP-Mandatar und Generalsekretär des Raiffeisenverbandes. Auch er sagt: „Ich bin kein Lobbyist. Ich habe eine politische Vergangenheit, war ÖVP-Generalsekretär und bin Parteichef in Floridsdorf. Daher habe ich ein Mandat bekommen.“ Mit Raiffeisen habe das nichts zu tun. Die Presse (Fabry)
Das österreichische Parlament ist voll von – lassen wir das unschöne Wort „Lobbyist“ einmal beiseite – Interessenvertretern. Für die Sache der Bauern macht sich dort etwa der Präsident der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer Hermann Schultes (ÖVP) stark. Und natürlich der schwarze Bauernbund-Präsident Fritz Grillitsch (Bild). APA (Jäger)
Besonders stark ist die „Lobby“ der Arbeitnehmer auf SPÖ-Seite: Wolfgang Katzian (Bild) ist Vorsitzender der Privatangestellten-Gewerkschaft (GPA), Sabine Oberhauser ist Vizepräsidentin des Gewerkschaftsbundes (ÖGB), und Wilhelm Haberzettl führt die Eisenbahner-Gewerkschaft in der Vida an. Die Presse (Fabry)
Zur „Neigungsgruppe ÖGB“ gehören auch Renate Csörgits, Ex-Frauenministerin Heidrun Silhavy und Josef Muchitsch von der Gewerkschaft Bau-Holz. Er sehe sich vor allem als Lobbyist für seine Region „und erst in weiterer Folge für die Arbeitnehmer“, erklärt der Steirer Muchitsch. Allerdings gebe es schon Abstimmungen, die manchen Mandatar in Gewissenskonflikte stürzten: „Das passiert jedem.“ Muchitsch bemängelt, dass nicht alle Bevölkerungsgruppen im gleichen Ausmaß im Parlament vertreten seien. Der öffentliche Dienst und die Wirtschaft seien „überproportional besetzt“. Und die Gewerkschaft nicht? „Bei 3,4 Millionen Beschäftigten sind wir eigentlich unterrepräsentiert.“ Die Presse (Fabry)
Arbeitnehmervertreter sind auch in den ÖVP-Reihen zu finden: Gabriele Tamandl (Bild) von der Arbeiterkammer Wien, Fritz Neugebauer, Chef der Beamten-Gewerkschaft, und Werner Amon, ehemals Generalsekretär des ÖAAB. APA (Techt)
Die Arbeitgeberseite hat ihre Exponenten genauso im Nationalrat sitzen: mit Christoph Matznetter sogar einen Sozialdemokraten als Vizepräsidenten der Wirtschaftskammer. Engelbert Obernosterer (ÖVP) ist Vize-Spartenobmann für Tourismus in der Kammer. Peter Haubner ist Generalsekretär des ÖVP-Wirtschaftsbundes. Sein Vorgänger Karlheinz Kopf ist heute Klubchef der Volkspartei. . (AP Photo/Ronald Zak)
Auch die Senioren sind gut vertreten – mit Gertrude Aubauer (Bild), Vizechefin des ÖVP-Seniorenbundes, und dem Generalsekretär des FPÖ-Seniorenrings, Walter Neubauer. Die Presse (Fabry)
Ein Ex-Kanzler ist heute ebenso auch anderen Herren verpflichtet: Der Abgeordnete Wolfgang Schüssel ist Aufsichtsrat beim deutschen Energiekonzern RWE.Auch der frühere Vizekanzler und ÖVP-Chef Wilhelm Molterer vertritt auf eigene Rechnung die Interessen des Stahlkonzerns Voest. (c) APA
Eine echte Lobbying-Affäre wurde 2010 ruchbar: SPÖ-Mandatar Kurt Gartlehner stand eineinhalb Jahre auf der Payroll von PR-Mann Peter Hochegger. Er sollte seine Kontakte nach Osteuropa in Sachen Windparks spielen lassen. APA (Jäger)
Die ''Lobbyisten'' im österreichischen Nationalrat