Sparen, staatliche Privatschulen und fehlende Disziplin

Nicht nur in Österreich, auch in England ist dieser Tage die Bildung Dauerthema. Impressionen aus der englischen Bildungslandschaft.

Nicht nur in Österreich, auch in England ist dieser Tage die Bildung Dauerthema. Im Gegensatz zu Österreich kann hier eine neue Regierung recht schnell Reformen in Gang setzen. Große Neuerungen gibt es nicht, es sei denn, man sieht die massiven Sparmaßnahmen als solche. Die wichtigste inhaltliche Reform sind die sogenannten „Free Schools“ – staatliche Schulen, die von privaten Trägern gegründet und geführt werden können. Vor dem Hintergrund des sozial streng selektiven englischen Schulsystems gewiss eine interessante Neuerung. Derzeit haben AbsolventInnen des exklusiven Privatschulsystems, in das sie bereits in der Vorschule eintreten, weitaus bessere Ausgangsbedingungen als die, die das staatliche Schulsystem durchlaufen. Kein Beispiel kann dies besser illustrieren als dieses: Aus der vermutlich exklusivsten Privatschule, Eton, kommt mit David Cameron, dem derzeitigen Premier, bereits der 19.(!) Premierminister. In welch anderem Land wäre das denkbar? Die „Free Schools“ sollen nun höchste Qualität bieten und doch auch Kinder und Jugendliche aus Arbeitermilieus anziehen. Ein paar Eckpunkte sind bereits auszumachen: strenge Disziplin ganz obenauf, darunter auch das konsequente Tragen von Schuluniformen. Auch der klassischen Erziehung soll breiter Raum gegeben werden, Latein wieder einen hohen Stellenwert erhalten. Der Direktor der ersten geplanten „Free School“ im bürgerlichen Westen Londons umschreibt es so: Eine Art „Grammar School“ (Gymnasium) für alle soll es werden.

Indes stöhnen vor allem die Universitäten unter den massivsten Kürzungen seit Menschengedenken. Die Sparmaßnahmen wirken sich nicht nur beim Personal aus, sondern betreffen auch die Qualität der Lehre. Die meisten Universitäten sehen sich gezwungen, das Maximum an Studiengebühren einzuheben. Zwar wird das Studium allen durch staatliche Kredite ermöglicht. Doch dürfte die Höhe der Gebühren künftig für viele zur Hürde werden. 9000 Pfund pro Jahr (umgerechnet 11.000 Euro) sind wahrlich keine Kleinigkeit. Im Schulbereich wiederum treffen die Kürzungen vor allem Supportsysteme, wie StützlehrerInnen, FörderlehrerInnen, Sozialarbeiter oder Zuschüsse für Schulessen. Wir sehen: kein Sparprogramm für die Reichen.

Da verwundert es nicht, wenn LehrerInnen protestieren. Doch ganz andere Motive haben die Lehrer einer Sekundarschule in Nordengland dazu bewogen, in Streik zu treten: Sie sehen sich der Disziplinlosigkeit ihrer SchülerInnen nicht mehr gewachsen: Handys im Unterricht, freche und obszöne Bemerkungen, Nichtbefolgen von Anweisungen. Szenen, die vielen österreichischen LehrerInnen, zumal im städtischen Bereich, vertraut vorkommen werden. „Sind die SchülerInnen schuld?“, fragt man sich? Oder haben doch die LehrerInnen versagt? Streiken sie also gar gegen sich selbst? Das Thema füllt seit Tagen die Leserbriefseiten – die Antwort steht noch aus.

E-Mails an:lehrer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2011)

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