Amazonas: Oxi, die neue Droge aus dem Dschungel

(c) AP (Gregg Newton)
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An den dicht besiedelten Küstenregionen Brasiliens sorgt ein neues Suchtgift namens "Oxi" aus dem Amazonas für Grauen: Billigst aus Kokainpaste und Benzin erzeugt, richtet es Menschen rasend schnell zugrunde.

Die Sicherheitsbehörden in den brasilianischen Megacitys São Paulo und Rio de Janeiro sind alarmiert: Aus den unergründlichen grünen Weiten des Amazonasgebiets kommend, sickert seit geraumer Zeit „Oxi“ (gesprochen: „Oschi“) in die dicht besiedelten Küstenregionen ein. Dabei handelt es sich freilich um keinen exotischen Dschungelbewohner, sondern um eine neue Superdroge: um eine, die sofort süchtig macht und den Körper binnen weniger Wochen ruiniert.

Hergestellt wird Oxi auf Basis von Kokainpaste und Benzin in Wohnungen und Hinterhöfen. Für eine Dosis, die man raucht, zahlt man nur so viel wie für ein paar simple Zigaretten.

In Rio Branco, der Hauptstadt der westlichen Amazonas-Provinz Acre, kann man die Verwüstungen, die diese neue zusammengepanschte Droge anrichtet, schon jetzt am helllichten Tag beobachten: Bis auf das Skelett abgemagerte und zerlumpte Gestalten tigern nervös um die Ecken in der Nähe des alten Busbahnhofs und betteln um ein paar Real. Mit zwei Real (nicht einmal ein Euro) lässt sich von den Drogenhändlern zwischen den Ruinen verlassener Häuser ein Stück Oxi einhandeln, das, so wie die bekannte Substanz „Crack“, in Form einer Art harten Gebäcks in einer Pfeife oder einem eingerollten Stück Pappe geraucht wird. Nach etwa 20 Sekunden setzt massiv der Flash ein. Und schon wenige Minuten später kocht der Wunsch hoch, noch mehr davon zu inhalieren.

Erbrechen, Nervosität, Herzanfall

Die Nebenwirkungen, die dann den Körper ungewöhnlich rasch und vollständig ruinieren, sind, so die brasilianische Zeitung „O Globo“, derart radikal, dass die Oxi-User „sich selbst ins Grab rauchen“. Zunächst Schlaflosigkeit, Nervosität und Erbrechen, dann alsbald offene Wunden, ja Zahnausfall, Nervenflimmern und Herzanfälle – und binnen weniger Wochen wird aus einem Mensch ein gesundheitliches Wrack, das keinerlei Hemmungen mehr zeigt, Verbrechen zu begehen, um an mehr von dem Stoff zu gelangen.

Oxi, so haben die Chemiker bisher festgestellt, hat einen höheren Kokainanteil als Crack, kann aber leichter auf der Basis von Kokapaste hergestellt werden; man braucht dazu nicht einmal ein richtiges Labor. Das macht die neue Droge so billig.

Quell-Länder Peru, Bolivien

Oxi kommt derzeit vor allem über die grüne, schwer überwachbare Grenze aus Peru und Bolivien, den „klassischen“ Koka-Anbauländern. Über die Amazonaspiste „BR 364“ kommt der Nachschub bis nach Rio Branco, die 310.000-Einwohner-Stadt nahe des Dreiländerecks Brasilien-Peru-Bolivien. Von dort geht es weiter ins restliche Brasilien.

Das unheimliche Rauschgift hat bereits jetzt die Lage speziell in São Paulo (hier leben allein in der Kernstadt rund elf Millionen Menschen) verschärft, wo im berüchtigten Drogenviertel „Cracolandia“ unter den Augen der Polizei immer mehr Süchtige wie lebende Leichen auf dem Pflaster hausen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2011)

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