Negativ-Vorbilder. In Graz wurden Suggestivfragen gestellt, in Wien war auch die Themenauswahl Grund für Kritik.
Wien/Graz. „Treten Sie dafür ein, dass die von der Stadt Graz geplante Verlängerung der Linie 6, die in dieser Form nicht zur Lösung der bestehenden Verkehrsprobleme beiträgt, nicht zur Ausführung gelangt?“. Eine Frage, die wegen der doppelten Negation nicht leicht verständlich ist. Und eine Frage, die dem Bürger bereits vorschreibt, was er zu denken hat.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) entschied daher, dass die im Jahr 1997 abgehaltene Volksbefragung im Grazer Stadtbezirk St. Peter illegal war. Derartige Suggestivfragen seien verboten, meinten die Höchstrichter. Fragestellungen müssten „klar und eindeutig“ formuliert sein, damit „Manipulationen hintangehalten und Missverständnisse so weit wie möglich ausgeschlossen werden können“, so der VfGH.
Aber auch die Wiener Volksbefragung im Vorjahr bewegte sich am Rande der Legalität. Auch hier wurden die Wähler in eine bestimmte Richtung gelenkt. Eine kleine Kostprobe: „Internationale Studien zeigen, dass die Ganztagsschule der entscheidende Erfolgsfaktor für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie darstellt sowie das Bildungsniveau der Bevölkerung deutlich hebt. Sind Sie für ein flächendeckendes Angebot an Ganztagsschulen in Wien?“, lautete eine Frage. In Wien kamen aber noch andere Aspekte dazu. So hatten manche der Fragen wie etwa das Thema Gesamtschule keine lokale, sondern bundespolitische Themen zum Inhalt. Rechtlich problematisch waren auch die Fragen über die Citymaut und das Halten von Kampfhunden. Das waren zwar Stadtthemen. Aber laut der Wiener Verfassung darf das Volk nie über Tarife abstimmen, darunter könnte die Citymaut fallen. Überdies darf nie über Grund- und Freiheitsrechte votiert werden, und in diesen Bereich könnte auch das Halten von Hunden fallen.
Falsche Fragen ohne Folgen
Freilich birgt eine illegale Volksbefragung für die Politiker wenig Risiko. In Wien etwa ist in der Stadtverfassung überhaupt kein Rechtsweg gegen unzulässige Fragen vorgesehen. In anderen Bundesländern ist eine Anfechtung zwar möglich. Doch auch hier gilt: Da das Ergebnis einer Volksbefragung ohnedies nie bindend ist, ist es relativ egal, wenn ein Gericht im Nachhinein feststellt, dass die Fragen nicht in Ordnung waren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2011)