Jimmy Choo stöckelt zur Reimann-Gruppe

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Symbolbild(c) EPA (ROLF VENNENBERND)
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Mit einer überraschenden Akquisition sorgt der Reimann-Clan für Schlagzeilen: Die deutsche Milliardärsfamilie schnappt sich die britische Kultschuhmarke Jimmy Choo. Kaufpreis: Umgerechnet rund 576 Mio. Euro.

London/Wien/Eid/Ag. Diskretion ist ihr zweiter Name: Die Familie Reimann gehört zu den reichsten, aber auch verschwiegensten Milliardären Deutschlands. Am Montag war es mit der Zurückhaltung vorbei: Mit einer überraschenden Akquisition sorgte der Reimann-Clan für Schlagzeilen. Der Neuzugang in der „Markensammlung“ ist die britische Kultschuhmarke Jimmy Choo.

Obwohl man bei Reimanns grundsätzlich nicht über Geld spricht, sickerte der Kaufpreis durch: Rund 500 Mio. Pfund (576 Mio. Euro) haben die Deutschen über ihre österreichische Holding Labelux der US-Beteiligungsgesellschaft TowerBrook Capital Partners auf den Tisch geblättert. Der bisherige Eigentümer des Herstellers von Schuhen, Lederwaren und Tüchern soll damit mehr als das Dreifache seines ursprünglichen Investments erhalten haben.

Mit Jimmy Choo, der bei High-Heel-Aficionados in einer Reihe mit Manolo Blahnik und Christian Louboutin steht, ist den Deutschen ein wichtiger Schritt in ihrer Strategie geglückt. Labelux soll nämlich als neue Luxusholding aufgebaut werden. Von den beiden Big Playern LVMH (mit Louis Vuitton, Givenchy, Celine, Kenzo Loewe, Marc Jacobs) und PPR (mit Gucci, Yves Saint Laurent, Sergio Rossi, Bottega Veneta, Alexander McQueen, Puma) ist man zwar noch weit entfernt. Aber seit etwa anderthalb Jahren kauft die Holding konsequent zu. Wie viel Geld die Familie Reimann, deren Vermögen auf acht Mrd. Euro geschätzt wird, in Summe für Zukäufe bereit hält, wird unter Verschluss gehalten.

Bally machte den Anfang

Vor drei Jahren erwarb Labelux den Schweizer Schuhhersteller Bally. Verkäufer war damals übrigens der US-Fonds Texas Pacific Group (TPG), der jetzt auch um Jimmy Choo warb, aber unterlag. Zuletzt ist die Designermodemarke Derek Lam aus den USA hinzugekommen. Außerdem gehören der italienische Lederwarenhersteller Zagliani und der Schmuckdesigner Solange schon zu Labelux.

Der nun erworbene Stiletto-Tempel hat einen kometenhaften Aufstieg hinter sich. Der aus Penang (Malaysia) stammende Schuster Jimmy Choo studierte in London Mode und arbeitete dann just bei Bally, bevor er selbst ein Schuhgeschäft aufmachte. 1996 gründete er mit Tamara Mellon von der britischen Vogue das Label. Choo gab 2001 seine Anteile ab und überließ Mellon die Leitung des Unternehmens, das inzwischen 65eigenständige Boutiquen umfasst und im Vorjahr 150 Mio. Pfund umsetzte. Mellon soll unter dem neuen Eigentümer an Bord bleiben und eine Beteiligung erhalten.

Mit seinen nicht gerade im Billigpreissegment angesiedelten Kreationen, zu deren Fans Victoria Beckham und Jennifer Lopez genauso zählen wie Scarlett Johansson und Cameron Diaz, wurde Choo 2009 in der breiten Öffentlichkeit bekannt, als er für die Modekette H&M eine Kollektion entwarf. Binnen weniger Minuten waren die High Heels ausverkauft.

Reich mit Putzmitteln

Reich sind die Reimanns allerdings mit Produkten geworden, die weniger sexy denn praktisch sind. 1851 gründete der Chemiker Ludwig Reimann mit Johann Adam Benckiser eine Chemiefabrik, die Haushalts- und Industriereinigungsmittel entwickelte. Schon 1956 gelang der Ludwigshafener Firma mit Calgon ein großer Wurf, weitere Verkaufshits waren Calgonit und Qanto.

Durch die Fusion mit der britischen Reckitt & Colman zur Reckitt Benckiser kamen 1999 nicht nur die Marken Clerasil und Vanish ins Portfolio, es entstand einer der größten Anbieter von Wasch- und Reinigungsmitteln. Die Familie Reimann hält noch 16Prozent am Konzern.

Ganz im Familienbesitz befindet sich der weltweit größte Duft- und Kosmetikhersteller Coty. Das Unternehmen vertreibt Celebrity-Parfums (der Sängerin Kylie Minogue, der Schauspielerin Sarah Jessica Parker und des Fußball-Ehepaars Victoria und David Beckham) und Designerdüfte von Calvin Klein, Davidoff und Joop. Coty hatte 2005 die Luxusparfum-Sparte des Konsumgüterkonzerns Unilever übernommen. Für 800 Mio. Dollar gingen die Parfumlizenzen für Calvin Klein, Cerruti, Vera Wang, Chloé und Lagerfeld an Coty.

Gesteuert wird das Imperium aus Österreich: Wegen der Diskussion um die Erbschaftssteuer wurde die Finanzholding Joh. A. Benckiser SE nach Österreich verlegt. 2007 wurde Labelux gegründet.

Auf einen Blick

Die britische Luxusschuhmarke Jimmy Choo wird von der deutschen Milliardärsfamilie Reimann übernommen. Sie will ihre in Österreich ansässige Holding Labelux zu einem Pendant der Luxusgüterkonzerne LVMH und PPR machen. Der Kaufpreis wird mit rund 576 Mio. Euro angegeben. Zu Labelux gehören schon Bally und Derek Lam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2011)

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