Straches (Retro-)Programm am Parteitag: Freiheitlichen bekennen sich wieder zum Deutschtum und heben wertkonservative Positionen hervor. Zehn Kapitel umfasst Straches Programm. Brisant ist das Religionskapitel.
Wien. Eigentlich war im neuen Programm der FPÖ die Passage vorgesehen, dass man sich zu einer Kultur bekenne, „die auf der griechischen Philosophie, dem römischen Recht, dem germanischen Freiheitswillen, dem Judentum, dem Christentum und der Weiterentwicklung durch Reformation, Humanismus und Aufklärung fußt“. Allerdings wurde dies wieder fallen gelassen – es klang dann doch etwas zu geschwollen, möglicherweise ging es manchen auch zu weit. In der Endversion heißt es nun vergleichsweise trocken: Europa sei geprägt von der Antike, dem Christentum, beeinflusst vom Judentum und anderen nichtchristlichen Religionen, weiterentwickelt durch Humanismus und Aufklärung.
Heikler ist ohnehin eine andere Passage: Das Bekenntnis zur „deutschen Sprach- und Kulturgemeinschaft“ wurde wieder ins Programm aufgenommen, das von Norbert Hofer federführend gestaltet und von ihm, Andreas Mölzer und Herbert Kickl endredigiert wurde. Im letzten Programm, in den Neunzigern noch von Ewald Stadler gestaltet, war davon nicht mehr die Rede gewesen. Dafür wurde nun Stadlers „wehrhaftes Christentum“ entsorgt.
Zwölf Seiten hat das neue Programm. Es wurde bewusst klein gehalten und soll ein „lesbarer Leitfaden“ sein. Wer mehr über freiheitliche Positionen erfahren will, muss zum 300 Seiten starken „Freiheitlichen Handbuch“ greifen, das zeitgleich erscheint. Das Programm wird heute, Samstag, auf dem Parteitag der FPÖ in Graz beschlossen.
EU: Bindende Volksabstimmungen
Zehn Kapitel umfasst Heinz-Christian Straches erstes Programm, mit dem er auch in eine Regierung gehen will. Im Absatz über Europa findet sich eine Selbstverpflichtung, die 2008 auch SPÖ-Chef Werner Faymann eingegangen ist (damals via Brief an die „Kronen Zeitung“): Über „grundlegende Änderungen von Staatsverträgen wie des Europarechts“ soll in Österreich das Volk abstimmen. Das Ergebnis müsse „verbindlich“ sein.
Brisant ist das Religionskapitel, in dem es heißt: „Das Privileg der Verleihung des Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts ist Religionsgemeinschaften vorzubehalten, die sich zur Trennung von Kirche und Staat als Errungenschaft unserer aufgeklärten Gesellschaft bekennen und unsere Verfassung und Gesetze achten.“
Gemeint seien Religionsgemeinschaften, die „bestimmte Riten“ hätten, sagt Vizeparteichef Hofer. Den Islam will er im Gespräch mit der „Presse“ nicht explizit nennen – als konkretes Beispiel falle ihm ad hoc die Zwangsheirat ein: „Da muss der Rechtsstaat Schutz bieten.“ Der Partei gehe es mit dieser Passage nicht nur um Religionsfreiheit, sondern auch um die Freiheit, sich „religiösen Dogmen“ entziehen zu können. Österreich sei zudem „kein Zuwanderungsland“, wer Asyl brauche, solle es aber erhalten, der Antrag müsse jedoch im Einreiseland gestellt werden.
Dass die FPÖ verstärkt Signale an wertkonservative Wähler sendet, wird auch an anderer Stelle deutlich: „Die Familie als Gemeinschaft von Mann und Frau mit gemeinsamen Kindern ist die wichtigste Klammer unserer Gesellschaft“, lautet einer der Leitsätze in der Präambel. Im dazugehörigen Kapitel wird die Familie als Wirtschaftsgemeinschaft definiert. Damit einher geht die Forderung nach einem steuerlichen Familiensplitting.
Inhaltlich sieht Hofer keinen Systembruch: „Alles ist, wie gehabt.“ Mit zwei Ausnahmen: Die eine ist das Bekenntnis zur deutschen Sprach- und Kulturgemeinschaft – sie ist allerdings nicht wirklich neu, sondern nur retro. Und soll laut Programmautor keineswegs als „Deutschtümelei“ missverstanden werden: „Wir wollen nicht Teil eines anderen Landes sein, sind aber Teil des deutschsprachigen Raums.“
Bekenntnis zu Minderheiten
Wirklich neu ist ein anderes Bekenntnis. Es dürfte eine Folge der Ortstafel-Einigung in Kärnten sein. Im Programm erkennt die Partei erstmals die autochthonen Minderheiten an. Burgenland-Kroaten, Slowenen, Tschechen, Ungarn, Slowaken und Roma werden ausdrücklich als „Bereicherung des österreichischen Staatsvolks“ begrüßt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18. Juni 2011)