Basel III: Statt Finanzkrise bald Kreditklemme?

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Mehr Eigenkapital der Banken und höhere Bonitätsanforderungen sollen für Stabilität sorgen. Kritiker befürchten, dass teurere Kredite vor allem KMU schaden könnten.

Im Dezember 2010 wurde eine Endfassung der Basel-III-Richtlinien veröffentlicht, die schrittweise ab dem Jahr 2013 EU-weit in Kraft treten sollen. Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht verschärfte die Vorschriften für die Kreditvergabe, gleichzeitig müssen die Banken ihre Eigenkapitalquoten anheben. Als Folge der 2008 ausgebrochenen, globalen Finanzkrise wurden schärfere Risikovorschriften beschlossen, damit für neuerliche Notsituationen größere Kapitalreserven zur Verfügung stehen. Dabei soll das Kernkapital („Common Equity“ oder Tier-1) von derzeit vier auf sechs Prozent der risikogewichteten Aktiva (vergebene Kredite und angeschaffte Wertpapiere) angehoben werden.

Nur der harte Kern zählt

Die zentrale Größe für Banken wird künftig das harte Kernkapital (Core Tier-1) sein. Es besteht ausschließlich aus jenem Kapital, das die Eigentümer der einzelnen Bank zur Verfügung gestellt haben, sowie aus einbehaltenen Gewinnen, die den Instituten im Falle eines Verlustes voll zur Verfügung stehen. Dieses Kernkapital soll bis 2015 von bisher zwei auf 4,5 Prozent steigen. Eigenkapitalinstrumente, die lediglich im Liquidationsfall verfügbar sind, etwa Nachrangdarlehen, werden hingegen an Bedeutung verlieren. Neu eingeführt haben die Finanzaufseher einen Kapitalerhaltungspuffer von 2,5 Prozent. Er soll aus hartem Kernkapital bestehen und verhindern, dass das Kapital der Banken in Krisenfällen zu schnell aufgezehrt wird.

Einen weiteren Puffer von 0 bis 2,5 Prozent kann jedes Land abhängig von seiner nationalen Situation einfordern. Änderungen in der Höhe müssen ein Jahr im Voraus bekannt gegeben werden. Dadurch soll die Aufsicht ein weiteres Instrument erhalten, um konjunkturelle Überhitzung und übermäßige Kreditvergabe zu verhindern. Weiters soll der Verschuldungsgrad von Banken, die sogenannte Leverage Ratio, begrenzt und die Liquiditätsanforderungen neu gestaltet werden. „Aus den neuen Liquiditätsvorschriften erwarten wir ebenfalls starke Effekte“, betont Raiffeisenbank International (RBI)-Vorstandsdirektor Karl Sevelda. Beispielsweise werden Unternehmensanleihen nur mehr mit bester Bonität als „high quality liquid assets“ angerechnet, Unternehmenskredite bleiben, selbst bei noch so guter Bonität des Kunden, unberücksichtigt. „Damit steigen der Liquiditätsbedarf und die Kosten für die Banken“, fürchtet Sevelda. Die genaue Ausgestaltung der Leverage Ratio ist noch nicht verabschiedet. Sie soll erst ab 2018 als verbindliche Messgröße gelten. Der Baseler Ausschuss hat sich bisher auf das 33-fache von Tier-1 festgelegt, was bedeutet, dass eine Bank nur 33mal so viel Fremdkapital aufnehmen darf, wie sie an Eigenkapital verfügt. Die Kernkapitalunterlegungspflicht wird für Kundenkredite von zwei auf sieben Prozent steigen, Staatsanleihen werden hingegen weiterhin kein zusätzliches Eigenkapital binden.

„Es wäre unrealistisch, anzunehmen, dass umfassende neue Regeln für das Finanzsystem nicht auch Auswirkungen auf alle Teilnehmer des Systems haben. Offen ist die Frage, wie groß diese Auswirkungen sind“, erklärt Sevelda. Eine Studie des Instituts für höhere Studien (IHS) aus dem Vorjahr untersuchte die Auswirkungen von Basel III auf die heimische Realwirtschaft.

20 Prozent weniger Kredite

Fazit: Die Banken müssten ihre Kreditvergabe um bis zu 20 Prozent zurückfahren. Das Wirtschaftswachstum ginge um 2,5 Prozent zurück, und es würden bis zu 46.000 Arbeitsplätze verloren gehen. „Sofern die Banken Eigenkapital nicht in entsprechendem Ausmaß extern aufbringen oder intern in Form von Gewinnen aufbauen, wird es zu Reduktionen ihrer Veranlagungsvolumina und damit auch der Kreditvergabevolumina kommen“, prognostizierte IHS-Chef Bernhard Felderer.

Der Weltbankenverband (IIF) rechnet bei Umsetzung von Basel III mit einer Verringerung der Wirtschaftsleistung in der Eurozone um 4,3 Prozent. Selbst wenn Veranlagungsvolumina insgesamt nicht zurückgenommen, sondern sich in Richtung weniger riskant eingestufter Veranlagungen entwickeln würden, hätte dies wohl negative Effekte auf die Kreditvolumenentwicklung. „Wenn sich die Vorstellungen der EU-Kommission durchsetzen, dann droht für KMU tatsächlich eine dramatische Kreditklemme“, warnt Sparkassen-Generalsekretär Michael Ikrath.

„Dieses Thema ist nicht auf die Banken beschränkt, die Regulierung wird der Wirtschaft schaden und Ländern mit großer KMU-Dichte einen Wettbewerbsnachteil bringen“, warnt Erste- Group-Chef Andreas Treichl. „Die Stärkung der Eigenkapitalquoten ist gut, die Verschärfung der Liquiditätsbestimmungen ist gut, die Benachteiligung von Krediten an Unternehmen ist schlecht. Wir hatten in der Krise keine Kreditklemme, die derzeitige Ausformung des Regelwerks wird aber dazu führen“, warnt er. Dieser Effekt werde sich letztendlich negativ auf die volkswirtschaftliche Entwicklung auswirken. Gerade in Zentraleuropa gibt es eine hohe KMU-Dichte und eine enge Beziehung zwischen Bank und Unternehmen. Der Zugang zum Kapitalmarkt ist in Österreich eher schwach ausgeprägt. Von der ursprünglichen Überlegung der G7 am Höhepunkt der Bankenkrise, die Kreditinstitute wieder an ihr ursprüngliches Modell heranzuführen, sei wenig übrig geblieben, denn das reale Bankengeschäft werde durch Basel III unverhältnismäßig hoch belastet, meint Treichl. „Besonders die kleinen Institute wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken werden mit der neuen Regelung benachteiligt. Damit können diese „Kapital-Nahversorger“ weniger regionale Kundenkredite vergeben“, so der Erste-Chef.

Diesen Einschätzungen widerspricht Stephen Cecchetti, Chefvolkswirt der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel. Der Berater des Basler Ausschusses hält den Nettoeffekt der Vorschläge für vernachlässigbar.

Auf einen Blick

Mit Basel III sollen die Regelungen für Kreditvergabe verschärft werden, insbesondere durch höhere Eigenkapitalquoten und strengere Berechnung derselben.

Was als Maßnahme gegen Bankenpleiten gedacht ist, könnte negative Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft haben, warnen Experten. Aus der Sicht heimischer Banken sind insbesondere KMU durch die neuen Kreditregelungen benachteiligt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2011)

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