Kapitalmarkt: Boom bei Mittelstandsanleihen

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In Deutschland begeben zunehmend auch kleinere Unternehmen Anleihen. Investoren sollten allerdings aufs Kleingedruckte achten. Anleger sollten vorsichtig vorgehen.

Die Suche nach Rendite, der Mangel an Anlagealternativen sowie auf Unternehmensseite der Trend, sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren, haben in Deutschland einen regelrechten Mittelstandsanleihen-Boom ausgelöst. Die Emittenten, oft bekannte Firmen mit etablierten Marken, sind meist etwas kleiner als klassische High-Yield-Unternehmen, entsprechend höher bewerten Experten das Liquiditäts- und Ausfallsrisiko. Dafür gibt es Renditen zwischen sechs und neun Prozent.

Standards unterschiedlich

Als wichtigster Markt für Mittelstandsanleihen gilt in Deutschland die Stuttgarter Börse. Seit Jahresbeginn gab es im „Bond-M-Segment“ zehn Neuemissionen, in ganz Deutschland 13 mit einem Volumen von rund 700 Millionen Euro. Käufer sind überwiegend Privatinvestoren. Je nach Börse gelten für die Emittenten bestimmte Standards, so müssen sie in Stuttgart ein Rating aufweisen. Diese stammen allerdings nicht von großen Agenturen wie etwa Moody's oder Standard & Poor's, sondern von kleineren, die nach anderen Grundsätzen arbeiten, etwa der Creditreform. Diese gibt Einschätzungen über die Ausfallswahrscheinlichkeit auf Einjahressicht ab, die „Großen“ dagegen blicken über den Konjunkturzyklus hinweg. Auch würden weder Moody's noch Standard & Poor's einem Unternehmen mit 100 Millionen Euro Jahresumsatz ein Investment-Grade-Rating geben.

„Hat ein Emittent kein Rating, so ist die Bonität für Retail-Investoren nur schwer einzuschätzen. Es ist gut möglich, dass sie diese überschätzen und für einen guten Namen bereit sind, geringere Zinsen zu bekommen“, spricht Kyle Kloc, Leiter Global High Yield Portfolio Management bei DWS, ein weiteres Problem an. Die vermeintlich attraktiven Rendite-Aussichten relativiert Alexander Fleischer, Head of Fixed Income bei der Erste-Sparinvest (Espa): Die angebotenen Renditen seien angesichts der bestehenden Risken eindeutig nicht attraktiv genug.

Was passiert, wenn Boom endet?

Anleger sollten vorsichtig vorgehen, sich Gedanken über die Marktposition des Emittenten und die Zukunftsträchtigkeit seines Geschäftsmodells machen. Wichtige Faktoren seien Cashflow und Unternehmensliquidität, so Kloc, der vor schwer verständlichen Klauseln im Verkaufsprospekt warnt. „Manche Mittelstandsanleihen können zum Beispiel vom Emittenten nach einigen Jahren einseitig gekündigt werden.“

Aus Unternehmenssicht ist der derzeitige Hype positiv, speziell in einem Umfeld mit brummender Konjunktur und niedrigen Zinsen. In rund fünf Jahren wird jedoch die Schuld fällig und muss refinanziert werden. Insider befürchten eine Pleitewelle, sollte der Boom nicht anhalten. Ein, zwei spektakuläre Ausfälle könnten reichen, um das Segment zusammenbrechen zu lassen.

Bei DWS sind einige Fonds in Mittelstandsanleihen investiert, etwa der DWS Euro-Corp High Yield oder der DWS High Income Bond. Fleischer will unter den Espa-Kunden derzeit keinen Bedarf danach ausmachen. „Liegt Nachfrage vor, könnte man darüber nachdenken“, meint er. Ähnlich argumentiert der Wiener-Börse-Vorstand Heinrich Schaller: „Von einem eigenen Segment sehen wir ab, weil Anleihen nur zu einem sehr geringen Teil an der Wiener Börse gehandelt werden. Unser Anleihensegment entspricht den Bedürfnissen des Marktes.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2011)

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