„Weiterverkaufen passt nicht ins Geschäftsmodell“

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Heimische Banken lassen die Finger davon, anderswo ist sie weiterhin üblich. Die österreichische Bankenwirtschaft positioniert sich gern traditionsbewusst und kundennah.

Die Zeiten, da ein Kredit schlicht ein Kredit war, sind lange vorbei. Vom angelsächsischen Raum ausgehend, machten sich weltweit Praktiken wie die Verbriefung, die derivatisierte Versicherung und der Weiterverkauf von Darlehen breit. Im Zuge der US-Subprime-Krise kamen sie in schiefes Licht, sind aber weiterhin am Markt präsent.

Allerdings kaum auf dem heimischen, denn die österreichische Bankenwirtschaft positioniert sich gern traditionsbewusst und kundennah, und dazu passt diese „anonyme“ Form des Finanzierungsgeschäftes nicht. Im Raiffeisensektor etwa betont man die Bedeutung des klassischen Bankgeschäfts, beruhend auf Einlagen und Kreditvergabe als Säulen. Und die Rolle des Bankers, mit Erfahrung und Gespür die Bonität potenzieller Schuldner möglichst korrekt einzuschätzen.

„Wir verkaufen nicht“

Ein prominenter Vertreter dieser Schule ist Ludwig Scharinger, Boss der RLB Oberösterreich. Vom Forderungsweiterverkauf hält er schlicht gar nichts, im Gespräch bekräftigt er, dass man bei seinem Institut „nicht verkaufe“ und auf ein „intensives, enges Verhältnis“ zum Kreditnehmer Wert lege. Die jeweiligen Unternehmerpersönlichkeiten müsse man kennen und bei Schwierigkeiten „handeln, nicht einfach zuschauen“, mit dieser Philosophie habe man etliche Firmen „durch die Krise getragen“. Damit es bei Privatkunden gar nicht erst zu ernsthaften Schieflagen komme, achte man darauf, sie „nicht zu Tode zu finanzieren“, ihnen nicht immer wieder neuen Kredit aufzunötigen. Und in schwierigen Situationen sei es besser, zum Beispiel zinsseitig zu helfen, als Kunden zu verlieren und Ausfälle verbuchen zu müssen.

Ein Restrisiko ist jedoch mit jeder Kreditvergabe verknüpft, weshalb auch die Linzer nicht auf entsprechende Versicherungen verzichten. In volatilen Wertpapieren wie Credit Default Swaps (CDS) engagiere man sich jedoch nicht – schon alleine, weil mit regulären Kreditversicherungs-Polizzen oder beispielsweise von der Kontrollbank zur Verfügung gestellten Paketen deutlich berechenbarere Instrumente zur Verfügung stünden.

Peter Wesely, Sprecher der RLB NÖ-Wien, schlägt in eine ähnliche Kerbe und teilt mit, das Institut habe „weder Kredite in Derivaten verbrieft noch weiterverkauft“. Zum Selbstverständnis als Beraterbank gehöre es, mit den Kunden in einer dauernden Geschäftsbeziehung verbunden zu sein. „Die einseitige Beendigung der Kundenbeziehung durch Verkauf an Dritte passt nicht in unser Geschäftsmodell.“ Auch am „virtuellen“ CDS-Markt wolle und müsse man sich nicht bewegen, zumal man keine nennenswerten Exposures ausfallgefährdeter Staatsanleihen halte.

Aus der UniCredit Bank Austria verlautet ebenfalls, dass aktuell der Verkauf von notleidenden oder fällig gestellten Krediten ausgeschlossen werden könne, und zwar für Österreich und CEE. Auch würden keine Kredite in Derivate verpackt, so Sprecher Martin Kammerer. Und Peter Thier bekräftigt für die Erste Group, sie kündige ihre Partnerschaft mit den Kunden in der Regel bis zur vollständigen Rückzahlung des Kredites nicht auf. In Ausnahmefällen und kleinem Umfang würden allerdings in Rumänien notleidende Kredite an andere Banken verkauft. „Schwerpunktmäßig aus Rumänien“ hat auch die Raiffeisenbank International im Geschäftsjahr 2010 ein 54 Mio. Euro schweres Portefeuille von Privatkundenkrediten veräußert, wie Vorstand Johann Strobl auf der Hauptversammlung des Unternehmens eingestand – im Vergleich zu den insgesamt verborgten gut 77 Mrd. Euro freilich eine vernachlässigbare Summe.

„Giftiger Finanzsondermüll“

In Deutschland sollen diesbezüglich rauere Sitten herrschen; Top-Adressen wie Deutsche Bank, DZ Bank oder Landesbank Baden-Württemberg wollen das Thema auf Anfrage nicht kommentieren. Max Otte, Finanzwissenschaftler, Fondsmanager und Autor (unter anderem: „Der Crash kommt“, 2007 erschienen), meint zum Abstoßen schwächelnder Kredite, er „denke, das machen mittlerweile alle“. Verbriefen sei auch nicht immer verwerflich: Im Einzelfall könne man es sicher tun; abzulehnen sei jedoch das Fluten der Welt mit „giftigem Finanzsondermüll“.

Vornehmlich in den USA habe sich das Geschäft dahingehend gewandelt, dass viele Banken eher schon als „Hypothekenbroker“ zu bezeichnen seien, so Otte. Kredite würden nach Abschluss sofort weiterverkauft, auch wenig bonitätsstarken Schichten seien hohe Einzeldarlehen vermittelt worden.

Auch mit Studenten- oder Autokrediten und insbesondere hoch verzinsten Kreditkartenschulden gebe es ein reges Geschäft, ergänzt der an der Uni Innsbruck lehrende Bankenexperte Matthias Bank.

Als Käufer traten – und treten – Kapitalsammelstellen auf. Diese schleusen die Außenstände in gebündelter Form zu Investmentgesellschaften bis hin zu den großen Investmentbanken durch, wo sie umverpackt und -etikettiert und schließlich an Endkunden abgegeben werden, nachdem eine – vom Investmenthaus bezahlte – Ratingagentur dem Portfolio das Siegel guter Bonität aufgedrückt hat. Die Preis- und Zinsdifferenz zwischen ursprünglich vergebenen und letztlich verkauften Krediten „kassiert die Investmentbank“, so Otte. Für den „alten europäischen Ansatz“, wie ihn unter anderem Scharinger propagiert, ist der kritische Professor übrigens voll des Lobs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2011)

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