In der letzten Stiftungsratssitzung vor der Bestellung des neuen ORF-Chefs präsentierte Finanzdirektor Grasl das erste positive Konzernergebnis in der Ära Wrabetz.
Donnerstag war die Stimmungslage am Küniglberg bestens – selbst die wegen der herannahenden ORF-Wahl noch immer unschlüssige ÖVP verwehrte Amtsinhaber Alexander Wrabetz die Unterstützung nicht.
Richard Grasl, kaufmännischer Direktor des ORF, hatte dem Stiftungsrat seine Zahlen vorgelegt – ein positives Ergebnis (EGT) der Konzernmutter in der Höhe von 2,7 Millionen Euro im Jahr 2010. Das ist das erste positive Konzern-EGT seit dem Amtsantritt von Wrabetz. Auch das Konzernergebnis inklusive aller Töchter war zufriedenstellend: mit 23,4 Millionen Euro im Plus. Der Jahresabschluss wurde vom obersten ORF-Kontrollgremium einstimmig abgesegnet.
„Wir haben das Ergebnis um 70 Millionen Euro verbessert – und damit Spielraum geschaffen, um die nächsten Jahre gut in Angriff nehmen zu können“, erklärte Grasl am Rande der Sitzung. 2012 werde ein „finanziell schwieriges Jahr“, weil die Refundierung der Gebührenbefreiung von zuletzt 50 auf dann 30 Millionen Euro gesenkt wird, während mit den Olympischen Spielen in London und der Fußball-EM in Polen und der Ukraine teure Sport-Budgets aufgestellt werden müssen.
Grasl: „Werde nicht TV-Direktor“
Zwar beteuert Grasl, eine Gebührenerhöhung sei „sicher aktuell kein Thema“. Es bleibt aber abzuwarten, wie lange diese Position nach der ORF-Wahl hält. Grasl erteilte bei der Gelegenheit einmal mehr Überlegungen eine Absage, er könnte Fernsehdirektor werden: „Ich werde mich jedenfalls wieder für die Funktion des Finanzdirektors bewerben.“
Grasl stärkt die ORF-Belegschaftsvertreter im Kampf gegen Paragraf 31 im ORF-Gesetz: gegen die Aufrechterhaltung des Leistungsumfangs bei gleichzeitiger Pro-Kopf-Kostensenkung. Auch er denkt, dass „gewisse Bestimmungen dieses Paragrafen durchaus zu hinterfragen sind“.
Dass der neue ORF-General Wrabetz heißen könnte, darf aus der guten Stimmung bei der letzten Sitzung des Stiftungsrats vor der Sommerpause nicht zwingend geschlossen werden. Es gilt aber nicht mehr als ausgeschlossen, dass sich auch die ÖVP dem SPÖ-Personalwunsch anschließt – und der alte auch der neue Generaldirektor sein wird. Wrabetz antwortet auf die Frage, ob er hinsichtlich seiner Wiederwahl optimistisch ist, kurz und klar: „Ja.“
Der Stiftungsrat hat sich einstimmig darauf geeinigt, Bewerber, die aus rechtlichen Gründen nicht als Generaldirektor des ORF infrage kommen, gar nicht erst zum Hearing am 9.August einzuladen. Rechtsgutachten von internen und externen Experten sollen das klären. Betreffen könnte das Karin Resetarits-Kraml, die bis Juni 2009 Europaabgeordnete war und sich für den ORF-Chefposten bewerben will. Zur „Presse“ sagt sie, sie werde bei einer Nichtzulassung rechtlich gegen diese „Diskriminierung“ vorgehen. i.w./awa
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2011)