Embryo-Gentest: Debatte in Österreich angekommen

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Der deutsche Bundestag stimmt am Donnerstag über die Zulassung von Gentests an Embryonen ab, die im Reagenzglas gezeugt wurden. Die Debatte ist auch in Österreich angekommen, wo die Tests ebenfalls verboten sind.

Berlin/Wien. Soll die Untersuchung von im Reagenzglas erzeugten Embryonen auf Gendefekte erlaubt werden – und wenn ja, unter welchen Auflagen? Über diese heikle Frage stimmt der deutsche Bundestag am Donnerstag ab. Im Vorfeld brachten sich Gegner wie Befürworter der Präimplantationsdiagnostik (PID) quer durch alle Parteien noch einmal in Stellung, bei der Abstimmung ist der Fraktionszwang aufgehoben. Für die erwartbar hitzige Debatte sind fünf Stunden eingeplant.

Auf dem Tisch liegen drei fraktionsübergreifende Gruppenanträge, eine eindeutige Mehrheit zeichnet sich nicht ab, da 178 Abgeordnete sich bis gestern noch nicht per Unterschrift einer der Vorlagen angeschlossen hatten: Der erste Antrag plädiert für ein striktes Verbot der PID – knapp 200 Abgeordnete haben ihn unterzeichnet. Der zweite hat die meisten Befürworter (220 Abgeordnete) und ist für eine Zulassung nach einer Beratung und positivem Votum einer Ethikkommission: Voraussetzung für die PID soll sein, dass Paare eine Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder dass bei ihnen mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist. Eine relativ kleine Gruppe von bisher 36 Abgeordneten tritt für eine dritte Variante ein: Sie will die PID verbieten, in Ausnahmefällen aber für „nicht rechtswidrig“ erklären. Voraussetzung: Die erbliche Vorbelastung der Eltern lässt „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ eine Schädigung des Embryos erwarten, die wiederum „mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Tot- oder Fehlgeburt führt“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstützt den Verbotsantrag. Wie sehr das Thema die CDU spaltet, zeigte sich erst vor wenigen Monaten auf deren Parteitag, wo sich nach heftigen Debatten die PID-Gegner knapp durchsetzten. Für eine begrenzte Zulassung sind Sozialministerin Ursula von der Leyen und auch Vertreter des konservativen Flügels wie Familienministerin Kristina Schröder.

SPÖ dafür, ÖVP-Position offen

Die deutsche Debatte belebt auch die fast nicht existente in Österreich, wo PID ebenfalls verboten ist: Am Donnerstag, werden Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) das Thema erstmals in Grundzügen besprechen. Während sich die SPÖ auf ein Ja zur einer beschränkten Zulassung festgelegt hat, ist die ÖVP-Position offen – Karl habe sich noch nicht näher mit dem Thema beschäftigen können, heißt es aus ihrem Büro. Im Unterschied zu Grünen, FPÖ und BZÖ, deren Gesundheitssprecher sich kürzlich prinzipiell für die PID aussprachen, gibt es vom Gesundheitssprecher der ÖVP Erwin Rasinger bisher nur ein „persönliches“ Ja. Doch Rasinger wünscht sich bald eine parteiinterne Debatte – und später eine Abstimmung ohne Klubzwang.

Die Hauptargumente, die Befürworter und Gegner bisher ins Treffen führen, lauten einerseits: Es sei grausam und unlogisch, Frauen mit hohem Risiko, ein schwerkrankes Kind zu bekommen, PID zu verbieten und stattdessen eine Abtreibung zuzumuten. Und andererseits: Die PID sei eine „slippery slope“, ein Einfallstor für immer mehr Selektion. Politisch zum Thema könnte die PID im Spätherbst werden. Dann stehen nämlich Gerichtsurteile aus anderen Bereichen der Fortpflanzungsmedizin (Eizellenspende) an, die wahrscheinlich eine Änderung des Gesetzes nötig machen.

Die Debatte kommt jedenfalls spät: Bereits 2004 machte die Bioethikkommission dem Kanzler einen Vorschlag für die Einführung der PID. Ohne Folgen. „Ich glaube, es gab weder von der Politik noch von der Bevölkerung Interesse, immerhin betrifft es nur eine kleine Gruppe, die dafür elementar“, sagt der damalige Vorsitzende, Gynäkologe und Reproduktionsspezialist Johannes Huber. Er glaubt aber, dass PID ohnehin bald von neueren Technologien (Tests über das Blut der Mutter in der 5. Schwangerschaftswoche) überholt wird.

Dennoch arbeitet die Kommission an einem aktualisierten Vorschlag, im Spätherbst soll er fertig sein, sagt die jetzige Leiterin Christiane Druml. Die Grundzüge: verpflichtende Beratung im Vorfeld, nur bestimmte Institute (laut SPÖ: nur öffentliche) dürfen diagnostizieren. Was die Liste der Krankheiten betrifft, die getestet werden dürfen, ist Druml persönlich für eine Übereinstimmung mit jenen, die auch pränatal (am Fötus) überprüft werden – darunter das sogenannte Downsyndrom.

Auf einen Blick

Deutschlandund Österreich zählen zu den wenigen europäischen Ländern, in denen Präimplantationsdiagnostik noch verboten ist. Erlaubt ist sie etwa in Dänemark, Norwegen, Schweden, Italien, Spanien, in den Niederlanden oder Frankreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2011)

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