Die ÖVP hofft ihren Gegenkandidaten zu Alexander Wrabetz gefunden zu haben: Boris Nemšić hat zwar Interesse, aber noch nicht zugesagt.
Die verständliche Absage von RTL-Boss Gerhard Zeiler, gegen Alexander Wrabetz im Rennen um den ORF-Chefposten anzutreten, ließ die ÖVP ratlos zurück. Was tun? Mit der siegessicheren und ungemein machtbewussten SPÖ verhandeln? Oder doch noch einen eigenen Kandidaten finden und aufstellen?
Die ÖVP entschied sich vorerst für beides: Generalsekretär Johannes Rauch wurde ausgesandt, um mit Laura Rudas über eine breite, also gemeinsame Lösung zu plaudern, in der natürlich Alexander Wrabetz und darunter unter anderen Karl Amon und Richard Grasl gesetzt wären. Diese Verhandlungen gestalten sich dem Vernehmen nach so zäh wie zu erwarten war. Die SPÖ sieht nach Gerhard Zeilers Nein keine Gefahr mehr und bekundet daher nur wenig besondere Bereitschaft, der ÖVP mit ihren (Personal-)Wünschen entgegenzukommen.
Daher verhandeln Emissäre der Bürgerlichen dieser Tage intensiv mit einem möglichen Kandidaten: Boris Nemšić, ehemaliger Telekom-Austria-Chef, war bis zum Sommerbeginn in Moskau als Berater des russischen Mobilfunkanbieters VimpelCom tätig. Zwar ist er gerade beim internationalen Investment- und Beratungsunternehmen Delta mit Sitz in Dubai als Partner eingestiegen, der Job als ORF-Generaldirektor habe ihn aber schon immer interessiert, heißt es in ÖVP-Kreisen. Fest steht, dass es bereits ein erstes Gespräch gab, am Sonntag, spätestens mit Beginn der kommenden Woche sollte eine weitere Runde folgen.
Und: Nicht nur die ÖVP-Stiftungsräte seien für Boris Nemšić zu begeistern, sondern auch die der FPÖ und die Vertreterin des BZÖ, heißt es. Zusagen werde der gebürtige Bosnier aber erst, wenn er sich einer Mehrheit sicher sei. Unter anderen deswegen war bereits das Antreten Zeilers gescheitert. In der SPÖ hält man den möglichen Wrabetz-Gegner für eine Nebelgranate und sieht in ihr einen Versuch der ÖVP, die eigene Verhandlungsposition zu verbessern.
Die künftige Ausrichtung des ORF scheint jedenfalls recht genau und detailliert besprochen zu werden: In den vergangenen Tagen war immer wieder vom Küniglberg zu erfahren, dass die SPÖ wegen kritischer und vor allem völlig unberechenbarer Berichterstattung die Einstellung der ORF-Sendung „Report“ fordert und dies auch recht unverblümt bei Redakteuren deponiert hat. Demnach soll es ein anderes politisches Magazin als Report-Nachfolger geben, der Protest gegen die Report-Drohung formiert sich langsam.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2011)