Arbeit: Leise Zweifel hinter lautem Jubel

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Österreich hat eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in der Europäischen Union. Nur die Niederlande liegen einen Hauch besser. Aber die Frühpensionisten und die Schulungsteilnehmer trüben das helle Bild.

Wien/Gau. Bei wenigen Themen schwillt die Politikerbrust stärker als bei Arbeit und Beschäftigung: Österreich hat mit 4,3 Prozent aller Erwerbstätigen (Prognose für 2011) eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in der EU. Nur die Niederlande liegen einen Hauch besser. Da die Brüsseler Statistiker mit Befragungen nach einer einheitlichen Methode arbeiten, scheint auch der Spielraum für „Tricksereien“ nur klein zu sein. Aber es gibt zwei Graubereiche, die das Bild deutlich trüben: die Frühpensionisten und die Schulungsteilnehmer.

Die Eurostat-Befrager wollen wissen, wer in jüngster Zeit aktiv nach Arbeit gesucht hat. In allen Ländern geraten damit Menschen aus dem Blickfeld, die keinen Job haben und gerne arbeiten würden: Hausfrauen, die den Wiedereinstieg ins Berufsleben nicht schaffen, oder Schulabsolventen ohne Perspektive, die es sich im „Hotel Mama“ bequem gemacht haben. Spezifisch österreichisch aber ist das Heer an Frühpensionisten. Das zeigt ein Blick auf die Beschäftigungsquote der Älteren: Sie liegt mit 42 Prozent klar hinter dem EU-Schnitt und Welten hinter Schweden, der Schweiz und selbst Deutschland. Zumindest jene, die zwangsweise in den Ruhestand geschickt werden, wären zu den Arbeitslosen zu rechnen. Nach Untersuchungen des Ökonomen Friedrich Schneider von der Uni Linz möchte jeder Zweite weiterarbeiten – das ergäbe etwa 100.000 zusätzliche „gefühlte“ Arbeitslose.

Dazu kommen die Schulungsteilnehmer, die das Warten auf einen Job mit Bildungsangeboten des AMS überbrücken. Ein guter Teil von ihnen sucht in dieser Zeit nicht aktiv und wird bei den Umfragen damit nicht als arbeitslos erkannt. Auch die Zahl der Geschulten ist im Europavergleich hoch – nur ein stark ausgebauter Sozialstaat kann sich ein solches Angebot leisten. Politische Errungenschaft oder Instrument zum statistischen Verstecken für Arbeitslose? Das hängt von der Wirksamkeit der Schulungen ab – und hier haben gerade auch viele Betroffene eher laute als leise Zweifel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2011)

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