Vom Leben im Schatten der Machtmenschen

Leben Schatten Machtmenschen
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Das Schicksal meint es mit den Familien von Spitzenpolitikern nicht immer gut. Wie es ist, wenn der Vater Josef Pröll, Wolfgang Schüssel, Alfred Gusenbauer oder Andreas Khol heißt: Töchter und Söhne gewähren Einblick.

Nachdem Anfang Juni bekannt geworden war, dass Josef Pröll als Vorstandschef bei der Raiffeisen-Tochter Leipnik-Lundenburger anheuert hatte, gab es für den Ex-Vizekanzler und ÖVP-Obmann ein kleines Fest. Dabei war seine Frau Gabi fröhlicher als der fast nachdenklich wirkende Pröll, der gerade eine der kürzesten und steilsten politischen Karrieren in der österreichischen Geschichte beendet hatte. Seine gesundheitliche Verfassung war ein Grund für den Rückzug aus der Politik gewesen – die familiäre Situation ein anderer.

Prölls drei Kinder und seine Frau waren in den Entscheidungsprozess eingebunden und sprachen sich einstimmig für einen Abschied aus der Politik aus. Denn zuletzt war es nicht ganz einfach gewesen: Richtig gesund war der Vizekanzler schon länger nicht, zu Hause dank Brüssel- und Bundesland-Missionen selten.

Dass sich auch Kinder in der Schule gelegentlich Unschönes über den Vater anhören müssen, lernte auch die Familie Pröll. Die Ehefrau und Mutter traf dies naturgemäß hart. Das Schicksal meint es mit den Familien von Spitzenpolitikern nicht immer gut, wenn auch in Österreich nie so schlecht wie mit den Kohls in Deutschland. Die Familienfehde um Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl kommt derzeit nicht aus den Schlagzeilen: Söhne gegen Vater, Stiefmutter gegen Söhne. Es geht um das Gedenken an die Mutter, die vor zehn Jahren den Freitod wählte und um das Leben im Schatten der Politik (siehe Bericht unten).

In Österreich können sich Regierungsmitglieder und ihre Angehörigen vergleichsweise zwanglos und sicher in der Öffentlichkeit bewegen. Provokant angesprochen werde man zwar immer wieder, sagt Nina Blum (37), Tochter von Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP). „Aber die total schlechten Erfahrungen haben sich in Grenzen gehalten.“ Außerdem, findet die Schauspielerin und Regisseurin, die seit 2008 das Kinderfestival „Märchensommer Niederösterreich“ im Schloss Poysbrunn inszeniert, „kann man selber steuern, wie sehr man sich darauf einlässt“.

Die Gusenbauers vor Gericht. Selina Gusenbauer, Tochter von Schüssel-Nachfolger Alfred Gusenbauer (SPÖ), hatte weniger Glück. Im September 2008 füllte die damals 16-Jährige wochenlang die Seiten des heimischen Boulevards: Über Klassenwiederholungen und den Laufpass aus der Wiener Privatschule Lycée Français wurde da gehöhnt. Dabei war das Mädchen nie durchgefallen (es hatte eine Klasse freiwillig wiederholt) und wechselte bloß in eine öffentliche Schule. Die Gusenbauers zogen erbost vor Gericht – und bekamen recht: Selina wurden 2000 Euro Schadenersatz zugesprochen, die Medien mussten großflächig Gegendarstellungen veröffentlichen.

Auch Florian Khol (40), etablierter Rechtsanwalt in Wien, machte in seiner Schulzeit nicht immer nur gute Erfahrungen: ein Vater, der – wie Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol (ÖVP) – im Ruf steht, ein „Erzkonservativer“ zu sein, wird im links-alternativ-grünen Umfeld einer Wiener Waldorf-Schule nicht von allen Klassenkameraden gleichermaßen geschätzt. „Ich habe länger gebraucht, um nicht alles zu verteidigen, was mein Vater gesagt hat“, erzählt Florian Khol.

Irgendwann empfahl er den Kritikern, sie mögen seinem Vater doch schreiben, wenn sie ein Anliegen hätten. „Das ist vielleicht ein Reifungsprozess.“ Andreas Khol kommt rückblickend zu folgendem Schluss: „Meine Kinder standen der ÖVP sehr kritisch gegenüber, aber sie haben immer zu mir gehalten.“

Offen wurde auch bei den Schüssels über Politik diskutiert, erzählt Nina Blum. „Das war logischerweise ein großes Thema bei uns daheim.“ Ob sie ihrem Vater jemals damit gedroht habe, eine andere Partei als die seine zu wählen? „Was ich wähle bleibt mein Geheimnis.“ Auch damals schon, dem Vater gegenüber.

Kaum Zeit für die Familie. Wie es ist, wenn der Vater scheinbar dauernd arbeitet, wissen Politiker-Sprösslinge nur zu gut. Vernachlässigt fühlte sich Florian Khol dennoch nicht durch seinen Vater, der den Parlamentsklub der Volkspartei von 1994 bis 2002 mit strenger Hand führte. Das hänge, wie Vater und Sohn übereinstimmend meinen, vor allem damit zusammen, dass Papa Khol außer dem Garten keine Hobbys hat(te). „Er spielte nicht Golf. Und wenn er da war, dann war Familienzeit.“ Damals brachte Khol seine Kinder auch täglich zur Schule.

Der heutige ÖVP-Seniorenbundobmann, der am Donnerstag 70 Jahre alt wurde, führt das auf seine bewusste Zeiteinteilung zurück: „Diesen Sonntag-Politik-Feuerwehrfest-Rummel habe ich nicht mitgemacht.“ Und: „Ich bin kein Cocktail-Geher. Genau das habe ich rigoros eingeschränkt.“

Dabei kam Khol zugute, dass er zwar im Nationalrat auf einem Tiroler Mandat saß, im Gegensatz zu seinen Klubkollegen aber in Wien wohnte. Er musste sich also nicht extra entschuldigen, wenn er Termine in Tirol nicht wahrnehmen konnte.

Pflichttermin Frühstück. Zusammenhalt wird in der Großfamilie mit drei Töchtern, drei Söhnen und einem Dutzend Enkelkindern groß geschrieben. In einem Punkt legte Andreas Khol aber immer besonders Wert auf Disziplin: „Die Kinder konnten nach Hause kommen, wann sie wollten. Aber es gab eine Regel: Um 7.15Uhr wurde gemeinsam gefrühstückt.“

Über die Rituale im Hause Schüssel ist so weit nichts bekannt. Zu kurz kam die Tochter jedoch nie, wie sie versichert. Der Vater zu selten daheim? „Das kann man so nicht sagen“, meint Nina Blum. „Man kennt ja nichts anderes – also ist es normal, wie es ist.“ Ihr Verhältnis zu Wolfgang Schüssel sei jedenfalls immer ein gutes und vor allem motivierendes gewesen: „Mein Vater hat mich nie eingeschränkt – ganz im Gegenteil. Da war immer Platz für mich und meinen Weg.“

Eine politische Karriere wollte Nina Blum nie einschlagen – und auch bei den Khols trat keiner in die väterlichen Fußstapfen. Sohn Florian engagierte sich immerhin in der Hochschülerschaft, als er in Innsbruck studierte. Aber danach war Schluss mit Politik.

Apropos Universität: Selina Gusenbauer beginnt diesen Herbst zu studieren. Die Matura am BORG Hegelgasse, einem Gymnasium mit künstlerischem Schwerpunkt, hat sie Mitte Juni problemlos bestanden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17. Juli 2011)

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