Immer voll auf Achse

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Flugrettung: Wie wird man Christophorus-Pilot? Was muss man können? Informationen und Eindrücke eines Rettungsfliegers, der seit zehn Jahren im Dienst ist.

Als Einsatzpilot bei der Flugrettung kann man sich die Bedingungen nicht aussuchen, unter denen man abheben soll. Mitte Mai etwa wurde ein Wanderer während eines Gewitters am Traunstein im oberösterreichischen Salzkammergut von einem Blitzschlag getötet und einen zweiter wurde verletzt. Christophorus-10-Pilot Martin Lackner entschied sich trotz der Gefahr anzufliegen und etwaige Zeitfenster während der Gewitterfront zu nutzen. Beim ersten Anflugsversuch musste er wegen einer dichten Wolkenhaube noch umkehren. Erst als ein Hüttenwirt, mit dem sich Lackner in Verbindung setzte, von einer Wetterbesserung berichtete, konnte die Bergung erfolgen.

Disziplin und Teamfähigkeit

Lackner blickt auf unzählige Flüge zurück – darunter auch besonders spektakuläre wie jener vor zwei Jahren, als er Touristen bergen musste, die am Südende des Attersees in eine Schlucht abgestürzt waren. Oder, im ersten Einsatzjahr, eine Hausgeburt am Heiligen Abend. Seine Ausbildung absolvierte der Notarzthubschrauberpilot nicht beim ÖAMTC, denn dieser rekrutiere ausschließlich „fertige Piloten vom Markt“. So müssen Bewerber über einen Berufspilotenschein sowie 2000 Flugstunden Erfahrung im Hochgebirgs- und Außenlastenflug verfügen. Unter Letzteren versteht man den Transport von Personen oder Gütern wie etwa Beton- und Feuerlöschkübeln. Wer die firmeninterne Selektion übersteht – vorausgesetzt werden vor allem ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Disziplin sowie Teamfähigkeit –, den erwartet noch die firmeninterne Schulung. „Laufende Weiterbildung müssen darüber hinaus alle Crewmitglieder in Anspruch nehmen“, so Lackner.

Teamfähigkeit sei vor allem deshalb wichtig, da man bei der Flugrettung sowohl auf den Flugrettungssanitäter als auch den Patienten Rücksicht nehmen müsse. „Entscheidungen müssen aus mehreren Blickwinkeln getrofffen werden. In vielen Situationen ist enormes Fingerspitzengefühl gefragt, um zu einem für alle Seiten tragbaren Kompromiss zu kommen“, sagt der erfahrene Einsatzpilot. Allein vom handwerklichen Können wären viele „Betonflieger“, die unter hohem Zeitdruck im Hochgebirge arbeiten müssen, vielleicht besser. „Bei der Flugrettung geht es um die Gesamtperformance“, bringt es Lackner auf den Punkt. Laut Lackner müssen alle Helikopterpiloten – egal, in welcher Branche sie tätig sind – die Fähigkeit besitzen, Situationen schnell zu analysieren und Entscheidungen zu treffen. Bei der Flugrettung müssen darüber hinaus zu jedem Zeitpunkt die Vorgaben eingehalten werden.

Langeweile? Gutes Zeichen!

Das Gefährlichste wären sogenannte „Rambo-Flieger“, also Piloten, die sich aus Prestigegründen großen Gefahren aussetzten. „Es ist entscheidend, dass unsere Piloten kein unnötiges Risiko eingehen, sich also auch gegen einen Flug entscheiden, falls er zu gefährlich wäre“, sagt Lackner. Nachsatz: „War der Flug aus Sicht der Crewmitglieder und Passagiere langweilig, ist das ein gutes Zeichen.“

Im Vergleich zu Flächenflugzeugen sind Helikopter eher „in sich labil“, was bedeutet, dass mehr Interaktion seitens der Piloten gefragt ist, um einen stabilen Flugzustand zu halten, so Lackner. „Helikopter sind eher schnelle und aktive Arbeitsgeräte.“ Die Entscheidung zwischen Helikopter und Flugzeug sei letztlich „sehr persönlich“. „Manche wissen bereits in der Volksschule, dass sie Helikopterpilot werden möchten“, sagt er. Bei ihm sei es etwas anders verlaufen: Nachdem ihm bei einem Kunstflug schlecht geworden war, entschied er sich doch für den Helikopter. „Das war rückblickend für mich eine goldrichtige Entscheidung.“ Insgesamt wären Helikopterpiloten eher „erdverbundene Arbeiter“, die auf selbstständiges Arbeiten Wert legten und darauf, mit einem gewissen Spielraum auf individuelle Situationen eingehen zu können. Der Flächenflug sei dagegen ein sehr reglementierter Bereich.

Fußballfeld als Landeplatz

Besonders knifflig sind Einsätze bei Nacht. „Das Problem ist das Landen. In der Dunkelheit können wir Leitungen und Zäune nicht sehen.“ Dementsprechend wird in der Nacht nur dann gelandet, wenn genügend Licht vorhanden ist. Dass hier mitunter einiges an Spontanität und Kreativität gefragt ist, veranschaulicht er mit einem Beispiel: Bei einem schweren Verkehrsunfall musste ein naheliegender Fußballplatz, auf dem gerade eine Mannschaft trainierte, zur allgemeinen Überraschung als Landeplatz genutzt werden.

Auf einen Blick

Martin Lackner ist seit 2001 als Flugretter tätig. Bewerber zur Flugrettung müssen einen Berufspilotenschein, 2000 Stunden Flugerfahrung sowie Erfahrung im Hochgebirgs- und Außenlastenflug nachweisen.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.aerial.at, www.hubifly.at, www.ifra.at [Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2011)

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