Ist Österreich nach wie vor eine Korruptionsoase?

Gastkommentar. Schärfere Korruptionsbestimmungen und mehr Unrechtsbewusstsein: Nicht nur die Politik, jeder Einzelne ist gefordert.

Jetzt ist schon wieder was passiert.“ Nicht nur den Lesern von Wolf Haas‘ Brenner-Romanen kommt dieser Satz bekannt vor – regelmäßig werden dieser Tage immer neue Korruptionsfälle öffentlich, oder bereits bekannte Fälle erweisen sich als noch schwerer wiegend als bisher angenommen. Nimmt tatsächlich die Zahl der konkreten Fälle zu? Oder „nur“ die Zahl derer, die nicht länger gewillt sind, Korruption hinzunehmen und Teil des unmoralischen Spiels zu sein?

Korruption, also Missbrauch von anvertrauter Macht zum persönlichen Nutzen oder Vorteil (so die Definition von Transparency International), ist kein Kavaliersdelikt – diese Meinung findet endlich mehr Akzeptanz in Österreich. Denn es braucht den Druck der Öffentlichkeit, um das fehlende Verantwortungsbewusstsein von Politik und Wirtschaft aufzuzeigen und diese zu Umdenkmaßnahmen zu bewegen.

Konnte man bisher immer wieder hören, dass es doch „ohnehin keine Geschädigten“ gäbe, weil schließlich sowohl Vorteilsgeber als auch –nehmer von Korruption profitieren, so wird nun allen klar: Geschädigte sind wir alle – als Steuerzahler oder Konsumenten.

Milliarden versickern

26 Milliarden Euro versickern jährlich – zehn Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung. In einer Welt, in der materieller Wohlstand Lebenssinn ist und zwischen Arbeit und Einkommen oft kein nachvollziehbarer Zusammenhang besteht, ist Korruption allgegenwärtig. Und dagegen muss Stellung bezogen werden.

Stellung beziehen, das ist das Credo der weltweit in knapp 100 Ländern tätigen Nichtregierungsorganisation Transparency International (TI). TI ist eine gemeinnützige, parteipolitisch unabhängige Bewegung von gleichgesinnten Menschen aus aller Welt, die sich dem globalen Kampf gegen die Korruption verschrieben haben. Das internationale Sekretariat von TI befindet sich in Berlin, in den verschiedenen Ländern ist die Organisation durch sogenannte „Chapter“ vertreten, die aus lokalen Experten und engagierten Mitarbeitern bestehen, seit 2005 auch in Österreich.

TI zeigt nicht mit dem Finger auf Einzelfälle, sondern arbeitet systemisch: durch Sensibilisierung der Öffentlichkeit sowie durch Bewusstseinsbildung. Bekannt ist TI für seine Studien und Rankings, allen voran der jährlich erscheinende Corruption Perceptions Index (CPI), welcher jedes Jahr erhebt, wie ausländische Entscheidungsträger und Experten die Korruption in einem bestimmten Land wahrnehmen. Österreichs vermeintlich „guter“ 15. Platz relativiert sich, wenn man bedenkt, dass wir noch vor wenigen Jahren Platz zwölf eingenommen haben, und unser Verweilen in den „Top 20“ nur dem noch dramatischeren Abstürzen anderer Länder verdanken. Daher wird TI weiterhin für strengere Korruptionsbestimmungen eintreten.

Zwar verpflichten sich Unternehmen und Institutionen verstärkt mittels Verhaltenskodizes, ausdrücklichen Anti-Korruptions-Richtlinien und „Whistleblower-Hotlines“ für Mitarbeiter, die intern Korruptionsfälle anonym melden wollen. Ob sie diese auch leben und danach handeln, wird sich weisen.

Eine in Österreich noch kaum bekannte Methode, von TI entwickelt und international bereits in der Praxis angewandt, ist der Integritätspakt: Bei großen öffentlichen Ausschreibungen wie Krankenhäusern, Flughäfen oder Museen verpflichten sich Auftraggeber und Bewerber dazu, auf Bestechung zu verzichten – Nichteinhaltung zieht gravierende Konsequenzen nach sich: Wer korrupt agiert, wird auf eine „schwarze Liste“ gesetzt und von zukünftigen Ausschreibungen ausgeschlossen.

Der Druck auf Behörden und Legislative, aktiv und kompromisslos gegen Korruption aufzutreten, wächst weiter: Die Zeit ist reif für ein „Großreinemachen“.

Konsequentes Aufzeigen

Durch konsequentes Aufzeigen der Korruptionsproblematik, Kommentieren von Gesetzesentwürfen und Veröffentlichen von Forderungen und Empfehlungen an die jeweilige Regierung konnte Transparency International – Austrian Chapter in den wenigen Jahren seines Bestehens bereits einige signifikante Erfolge verbuchen:

Die seit der Gründung von TI Österreich geforderte Zentrale Staatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung unter der Leitung von Mag. Walter Geyer nahm am 1.Jänner 2009 ihren Dienst auf. Die „Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft“ war zweifellos ein erster Schritt in die richtige Richtung, der logische zweite Schritt in Form von ausreichenden Fachleuten, damit die Staatsanwaltschaft (deren Kompetenzen nun zur „Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption“ erweitert wurden) auch effektiv arbeiten kann, lässt jedoch auf sich warten, ebenso wie die dringend nötige Weisungsfreiheit.

Transparente Wartelisten

2010/11 wurde im Rahmen des „Strafrechtlichen Kompetenzpakets“ erstmals eine Kronzeugenregelung für Korruptionsvergehen eingeführt – ebenfalls eine langjährige Forderung von TI. Auch im Gesundheitswesen konnten erste Erfolge erzielt werden, etwa in Form von transparenten Wartelisten für Operationen in Wien.

Hingegen markiert das Anti-Korruptions-Gesetz von 2008, welches 2009 massiv entschärft wurde, einen auch international kritisierten Rückschritt in der Korruptionsbekämpfung.

Nach wie vor fehlen in Österreich zufriedenstellende Regelungen zur Politikfinanzierung, und die Umsetzung internationaler Abkommen, wie etwa der OECD-Konvention zur Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr, ist mangelhaft bis inexistent.

Erst vor Kurzem hat die dritte Evaluierungsrunde Österreichs durch Greco, die Europäische Staatengruppe gegen Korruption, stattgefunden, ein Schwerpunkt war das Thema Parteienfinanzierung. Es ist davon auszugehen, dass uns bei der Veröffentlichung des Berichts ein weiteres Mal ein Dämpfer versetzt und die Unzulänglichkeiten des derzeitigen Systems von internationalen Beobachtern vor Auge geführt werden – selbst EU-Beitrittskandidaten sind Österreich in diesem Bereich bereits voraus.

Was also braucht Österreich, um den schier unendlichen Reigen von Korruptionsskandalen zu stoppen? Zum einen natürlich eine mutige, aktiv eingreifende Politik, die gewillt ist, den nur zögerlich – und nicht immer vorwärtsgewandten – Weg weiterzugehen. Zum anderen aber uns alle, die wir aktiv gegen Korruption auftreten und sie nicht länger schulterzuckend und wegschauend hinnehmen – mehr Mut zum aufrechten Gang, lautet meine Devise.

Zur Person


E-Mails an: debatte@diepresse.comEva Geiblinger

ist Vorstandsvorsitzende von
„Transparency International – Österreich“ (TI-AC), war Wirtschaftsjournalistin, Vorstandsmitglied von General Motors Austria, Geschäftsführerin der Adler Bekleidungswerke Österreich und Mitglied des Direktoriums der Degussa AG, Frankfurt. [Foto: TI]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2011)

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