Krawalle in England: Kritik an harten Strafen

Archivbild: Unruhen in England.
Archivbild: Unruhen in England.(c) AP (Jon Super)
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Zwei junge Briten wurden zu je vier Jahren Haft verurteilt, weil sie über Facebook zu Krawallen aufgerufen hatten. Dies sei unverhältnismäßig, sagen Kritiker.

Weil sie über das soziale Netzwerk Facebook im Internet zu Krawallen aufgerufen haben, sind zwei junge Briten zu jeweils vier Jahren Haft verurteilt worden. Das harte Urteil stieß am Mittwoch auf heftige Kritik, nicht zuletzt weil diese Aufrufe keinerlei Folgen gehabt hatten. Allein in London wurden im Zusammenhang mit den vier Nächte dauernden Ausschreitungen inzwischen mehr als 1700 mutmaßliche Randalierer festgenommen.

Ein Polizeisprecher bezeichnete die Verurteilung zu vier Jahren Haft am Dienstagabend als "abschreckendes Beispiel und klare Botschaft an potenzielle Krawallmacher". Die Facebook-Einträge der beiden Männer hätten gezeigt, "wie heutzutage die Technologie für kriminelle Aktivitäten missbraucht" werden könne. Premier James Cameron begrüßte die "harte Botschaft" des Gerichts. Es mache klar, dass das "entsetzliche Verhalten" bei den Krawallen "falsch ist und nicht toleriert wird".

Strafmaß wie bei Gewaltdelikten

Einer der Verurteilten ist ein 20-Jähriger, der die Facebook-Seite "Macht Northwich nieder" einrichtete und darauf unter anderem zum Sturm auf eine McDonald's-Filiale in der nordwestenglischen Stadt aufrief. Der zweite Verurteilte hatte seinerseits angesichts der Massenkrawalle im ganzen Land zu Protesten in seinem Wohnviertel in Warrington ebenfalls im Nordwesten Englands aufgerufen. Dazu setzte der 22-Jährige seine Facebook-Seite unter das Motto "Lasst uns Randale in Latchford machen".

Die Staatsanwaltschaft erklärte vor dem Gericht in Chester, die Interneteinträge hätten "erhebliche Panik und Abscheu" ausgelöst. Der 22-Jährige gab an, bei seinem Facebook-Eintrag betrunken gewesen zu sein. Als er am nächsten Morgen mit einem Kater aufgewacht sei, habe er den Eintrag gelöscht und sich entschuldigt.

Andrew Neilson von der Howard League für Strafrechtsreform sagte, das von Premierminister David Cameron angekündigte harte Durchgreifen führe zu "einigen sehr schlechten Urteilen", die in Berufungsverfahren aufgehoben würden. Das im Fall der beiden Facebook-Einträge verhängte Strafmaß werde üblicherweise bei schweren Gewaltdelikten angewandt.

"Rattenschwanz von Berufungen"

Einige Strafen seien "vollkommen unverhältnismäßig", sagte Sally Ireland von der Vereinigung Gerechtigkeit der Zeitung "The Guardian". Die Folge werde ein "Rattenschwanz von Berufungen" sein. Der Strafverteidiger Paul Mendelle sagte der BBC, er sehe die Gefahr, dass Urteile im Schnellverfahren gefällt und dabei bestehende Justizregeln über Bord geworfen würden.

Die britischen Gerichte arbeiteten in den vergangenen Tagen ohne Unterlass und sollten auch das Wochenende über tätig sein. Mehr als tausend mutmaßliche Randalierer in London wurden bereits angeklagt. Auslöser der am 6. August einsetzenden Ausschreitungen vor allem durch junge Menschen war die Tötung eines 29-Jährigen bei einem Polizeieinsatz im Londoner Stadtteil Tottenham. Bei den vier Nächte dauernden Unruhen, die auch auf andere Städte des Landes übergriffen, kamen fünf Menschen ums Leben.

Charles und Camilla in Tottenham

Der britische Kronprinz Charles und seine Frau Camilla statteten Tottenham am Mittwoch einen Besuch ab. Sie trafen unter anderem mit Familien und Ladeninhabern zusammen. Bei den Ausschreitungen, Brandstiftungen und Plünderungen waren in dem multiethnischen Stadtteil viele Geschäfte und Wohnungen zerstört worden, 200 Menschen wurden obdachlos. Das Kronprinzenpaar unterbrach für den Besuch seinen Sommerurlaub in Schottland.

(APA)

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