Die Enthüllungsplattform hat die Kontrolle über die bisher gehüteten US-Botschaftsdepeschen verloren. Die Namen von Informanten sind damit auch ins Internet gelangt.
Wikileaks hat offenbar die Kontrolle über seine Daten verloren. Die im Archiv der Enthüllungsplattform gespeicherten 250.000 US-Diplomaten-Depeschen seien nicht mehr sicher, teilten die Betreiber am Donnerstagmorgen in einer 1600 Worte umfassenden, online veröffentlichten Stellungnahme mit. Kopien der Archivdateien sollen im Internet verfügbar sein. Die "Mammutaufgabe", die Depeschen so zu redigieren, dass keine Personen kompromittiert werden, sei damit zunichte gemacht.
Informanten besorgt über Veröffentlichung
Die Betreiber der Plattform machen einen Reporter der britischen Zeitung Guardian dafür verantwortlich. Dieser sagte dagegen, dass die von ihm veröffentlichten Informationen veraltet und harmlos gewesen seien. Der Spiegel Online schreibt, dass jetzt auch die Wikileaks-Informanten um ihre Sicherheit fürchten müssen. Die Daten sind ungefiltert ins Netz gelangt, wodurch ihre Namen jetzt auch bekannt sind.
Der Reporter habe in seinem im Februar vom Guardian publizierten Buch das Passwort zur Entschlüsselung der Dateien enthüllt, teilte Wikileaks mit. Sowohl der Reporter als auch der Guardian bestreiten die Anschuldigungen. Der Server, über den die Zeitung Zugang erhalten hatte, sei schon längst offline genommen worden. Das Passwort sei nur temporär verfügbar gewesen.
In dem Text werfen die Wikileaks-Betreiber dem Reporter vor, er habe in seinem Buch über die Organisation "rücksichtslos und ohne Erlaubnis und im vollen Wissen das Entschlüsselungspasswort enthüllt". Das Wissen um das durchgesickerte Passwort habe sich über Monate verbreitet und die Organisation sei am Donnerstag gezwungen gewesen eine Stellungnahme abzugeben, nachdem die Nachricht von der Sicherheitsverletzung in der Presse aufgetaucht sei, hieß es.
Unachtsamkeit führt zu Veröffentlichung
Im Spiegel-Bericht präsentiert sich der Sachverhalt etwas anders. Das deutsche Medium hatte ebenfalls Zugriff auf die unverfälschten Originaldaten. Wikileaks-Sprecher Julian Assange soll einen Teil des Passworts auf einen Zettel geschrieben haben, zusätzlich musste noch ein Wort ergänzt werden, das er mündlich mitteilte. Zwar bestätigt der Spiegel, dass diese Informationen im Buch des Guardian-Reporters enthalten sind. Allerdings wurden die Daten von Assange nicht wie vorgesehen gelöscht. Stattdessen nahm sie der spätere Openleaks-Gründer und ehemalige deutsche Wikileaks-Sprecher Daniel Domscheit-Berg vermutlich versehentlich mit. Dadurch kamen die unveränderten US-Depeschen überhaupt erst in Umlauf.
Schlammschlacht um Datenleck
In der Vergangenheit haben US-Behörden gemahnt, dass die Enthüllung des gesamten unredigierten Archivs möglicherweise ernsthafte Konsequenzen für Informanten, Aktivisten und andere in den Depeschen erwähnte Personen haben könnte. Nun sind die Daten komplett öffentlich. Der Guardian schiebt Wikileaks und dessen Unachtsamkeit die Schuld in die Schuhe, die Plattform wiederum beschimpft die britische Zeitung und seit der Spaltung auch Openleaks und dessen Gründer Daniel Domscheit-Berg.
Keine Sicherheit für Whistleblower
Die Affäre zeigt mehrere Dinge auf. Sobald Menschen involviert sind, kann auch die beste Sicherheitstechnik versagen. Und auch die beste Technik ist nicht vor Problemen gefeit. Die Geschichte um das Leak von Wikileaks dürfte derzeit allen Whisteblowern eine deutliche Warnung sein, sich auch nur an irgendeine derartige Plattform zu wenden. Interessant ist das Schweigen der offiziellen US-Behörden. Sie wurden von Wikileaks schon am 25. August über das Problem im Kenntnis gesetzt. Allerdings ist es auch denkbar, dass diverse Geheimdienste schon längst Zugriff auf die Daten hatten.
(Ag./Red.)