Kurswechsel nach dem Auffliegen von iranischen Anschlagsplänen gegen Saudi-Botschafter in Washington. Die Regierung von Obama fordert eine konzertierte Aktion für schärfere Sanktionen gegen das Regime in Teheran.
[WASHINGTON] Hillary Clinton sah sich in ihrer tiefen Skepsis gegenüber dem Mullah-Regime bestätigt. „Der Iran hat eine Grenze überschritten und muss dafür zur Verantwortung gezogen werden“, erklärte die US-Außenministerin, nachdem das Mordkomplott gegen den saudischen Botschafter in den USA aufgeflogen war. „Die Idee, dass sie ein mexikanisches Drogenkartell anheuern, um den Botschafter umzubringen – das kann niemand erfinden, oder?“
Unter dem Eindruck eines bizarren Attentatsplans auf US-Territorium sucht Washington auf internationaler Ebene jetzt die Ächtung und Isolation des iranischen Regimes. Als erste Maßnahme fror das US-Finanzministerium die Konten der beiden verdächtigen Verschwörer und ihrer Hintermänner bei den Revolutionsgarden ein und setzte die iranische Fluglinie Mahan Air auf die schwarze Liste. Weitere Sanktionen sind in Schwebe.
Eine militärische Vergeltungsaktion stand nicht zur Debatte. Justizminister Eric Holder sprach zunächst vorsichtig von „Elementen“ der iranischen Regierung als Drahtzieher des vereitelten Anschlags. Iran-Experten in den USA spekulieren über einen Machtkampf in der Führung in Teheran.
Obamas Ouvertüre
Die diplomatische Ouvertüre von Präsident Barack Obama dürfte jedenfalls endgültig gescheitert sein. Wiederholt hatte Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad die Dialogbereitschaft Obamas und dessen Versuch, den Paria-Staat in die Staatengemeinschaft zu integrieren, brüskiert. Außenministerin Clinton galt schon im Präsidentschaftswahlkampf als Gegnerin einer Annäherung an Teheran. Im Gleichklang mit Israels Premier Benjamin Netanjahu hatte sie sogar mit einer Bombardierung der iranischen Nuklearanlagen gedroht.
Die Operation unter der Chiffre „Chevrolet“ – ein Hinweis auf einen der Verschwörer, den US-iranischen Autohändler Mansour Arbabsiar – gibt den Geheimdienstleuten Rätsel auf. Arbabsiar gestand, mit der iranischen Qods-Einheit in Kontakt gestanden zu sein. Doch die Aktion, heißt es, trage nicht die typische Handschrift der Spezialeinheit der Revolutionsgarden. Die Qods würden professioneller agieren, urteilt der frühere CIA-Spitzenagent Robert Baer in der „Washington Post“.
„Wenn sie hinter dir her sind, bist du schon so gut wie tot.“ Andere vermuten in dem Anschlagsszenario eine Verzweiflungstat eines in die Enge getriebenen Regimes.
Mansour Arbabsiar war im Mai bei der Kontaktnahme zu „Los Zetas“, einem berüchtigten mexikanischen Drogenkartell, an den Falschen geraten. Er sprach einen Informanten der US-Drogenbehörde DEA an. Dessen Tante, eine Nachbarin Arbabsiars im texanischen Corpus Christi, hatte den Kontakt vermittelt. Die DEA und die US-Bundespolizei FBI waren somit von Anfang an eingeweiht.
Restaurant als Anschlagsziel
Der vermeintliche Auftragskiller und seine Komplizen sollten den Botschafter Adel al-Jubeir, einen Vertrauten des saudischen Königs Abdullah, in einem Washingtoner Nobelrestaurant in die Luft sprengen. Dass dabei womöglich auch Dutzende andere Gäste ums Leben kommen würden, nahm Arbabsiar bewusst in Kauf. „Scheiß auf sie“, lautete seine Antwort auf derlei Bedenken. Im „Café Milano“ – einem Restaurant im Washingtoner Viertel Georgetown, das gerüchteweise als Anschlagsziel dienen sollte – verkehrt die politische Elite: Vizepräsident Joe Biden und Senatoren.
Daneben war auch die Rede von Anschlägen gegen die Botschaften Saudiarabiens und Israels in Washington und Buenos Aires. Im Gegenzug sollte tonnenweise Opium aus Asien nach Mexiko geschleust werden. Die Attentatspläne kamen allerdings über ein Anfangsstadium nicht hinaus. Arbabsiar überwies seinem mexikanischen Kontaktmann beinahe 100.000 Dollar als Vorschuss auf dessen Konto in New York. Die mexikanische Polizei verweigerte Arbabsiar die Einreise, bei seinem Umstieg am JFK-Flughafen in New York klickten am 29. September schließlich die Handschellen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2011)