Nokias Handy-Chefin: "Kein Gigahertz-Blabla mehr"

The new Nokia smart phone Lumia 800 is shown off at Nokia world, London
The new Nokia smart phone Lumia 800 is shown off at Nokia world, London(c) Reuters (Paul Hackett)
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Mary McDowell im DiePresse.com-Interview über die neue Strategie "Teilen und Herrschen", die Konkurrenz und warum Nokia seine Kunden nicht mehr über Technik locken will.

Nokia hat auf seiner Hausmesse Nokia World zwei neue Smartphones, das Lumia 800 und das Lumia 710 vorgestellt. Die Geräte mit Microsofts Handy-Software Windows Phone sollen den aktuellen Abwärtstrend stoppen. DiePresse.com traf sich in London gemeinsam mit anderen internationalen Medienvertretern mit Handy-Spartenchefin Mary McDowell zum Gespräch.

DiePresse.com: Die Margen auf Handys sinken, auch bei Smartphones. Wie wollen Sie langfristig Geld verdienen, wenn Sie keine Handys mehr gewinnbringend verkaufen können?

Mary McDowell: Wenn man sich den Bereich der normalen Handys anschaut, haben wir derzeit durchschnittliche Verkaufspreise von 32 Euro, die aber zehn Prozent des operativen Gewinns generieren. Ich denke, das ist eine klare Demonstration, dass man mit großen Stückzahlen eine Menge Wert schöpfen kann, selbst bei niedrigsten Preisniveaus.

Die Umsätze Ihrer Handysparte sind aber im Vergleich zum Vorjahresquartal gefallen.

Sie erhöhen sich aber langsam wieder und wir sind froh über diese Entwicklung. Wir denken da an die Zukunft und da steckt noch viel Profitpotenzial drin.

Sind Sie nervös wegen des Starts der neuen Produkte? Bisher lag es allein in der Hand Ihrer Entwickler, die neuen Smartphones zu bauen. Nun hängt es von den Kunden ab, ob sie erfolgreich werden.

Jedes Mal, wenn man ein neues Produkt auf den Markt wirft, hat man Schmetterlinge im Bauch. Was uns zuversichtlich macht, sind die positiven Rückmeldungen der Netzbetreiber. Wir stecken auch eine Menge Geld ins Marketing.

Bei uns in Österreich ist der Markt hart umkämpft. Man erhält Geräte wie das iPhone 4S mit Vertragsbindung ab null Euro. Was bieten Sie den Betreibern, damit sie Ihre Geräte ins Portfolio aufnehmen?

Wir sind vermutlich einer der freundlichsten Partner, da wir den Mehrwert anerkennen, den der Betreiber den Kunden bietet. Wir haben nicht nur ein Gerät, sondern eine ganze Reihe an verschieden gepreisten Smartphones. Und es gibt gute Zusammenarbeit, was spezielle Apps und Inhalte betrifft.

Wen sehen Sie derzeit als ihren größten Konkurrenten unter den Herstellern an?

Das kommt auf die Preiskategorie an. Wenn man alle zusammen betrachtet, hat Samsung vermutlich das größte Portfolio. Und je nach Land gibt es noch lokale Hersteller. Aber mit dem Start unserer Dual-SIM-Geräte haben wir gesehen, dass wir diese verdrängen können.

Wo denken Sie, liegt die größte Schwachstelle der Konkurrenz und wie würden Sie diese ausnutzen wollen?

Wir entwickeln Handys nicht, indem wir die Schwächen der Konkurrenz betrachten. Wir konzentrieren uns darauf, was die Kundenwünsche sind. Das ist eine der großen Umstellungen, die im letzten Jahr passiert sind. Es ging früher um Kosten und Größe. Und wir sind sehr effizient und haben ein breites Vertriebsnetzwerk. Aber was junge Kunden verlangen ist Innovation. Daher investieren wir hier mehr in Forschung und Entwicklung, um neue Funktionen und Fähigkeiten zu ermöglichen.

Aufgrund der engen Zusammenarbeit mit Microsoft teilen Sie auch Technologien. Ihr Kartendienst Nokia Maps soll zum Beispiel ein fixer Teil von Windows Phone werden.

Es wird ein Teil von zukünftigen Versionen von Windows Phone werden, der für alle verfügbar sein wird, die das System von Microsoft erwerben. Es wird vielleicht Bing Maps heißen, aber die zugrunde liegende Technologie wird von Nokia kommen. Das wird auch die Offline-Streckenführung für Autofahrten beinhalten.

Sie teilen also in gewisser Weise Ihre Technologien mit Ihren Konkurrenten.

Exakt. Wir sind von Microsoft beim Betriebssystem abhängig, sie hängen von unseren Kartendiensten ab. Die Idee ist, dass wir das Windows-Ökosystem groß machen. Der Kuchen soll aufquellen und dann wollen wir ein großes Stück davon ergattern.

Ist es nicht ein wenig unfair, dass Sie Ihre Konkurrenten dazu verwenden, um das Ökosystem wachsen zu lassen, um danach so viel wie möglich davon wegzuschnappen?

Mary McDowell, Executive Vice President of Mobile Phones, Nokia
Mary McDowell, Executive Vice President of Mobile Phones, Nokia(c) Presse Digital (Daniel Breuss)

Ich denke, es wird ein fairer Kampf, weil alle zum selben Code von Microsoft Zugang haben. Dann hängt es davon ab, diesen in interessante Geräte umzuwandeln. Sie können es auch von der anderen Seite sehen. Die Konkurrenten werden Zugang zu interessanten Technologien von Nokia erhalten.

Bleiben wir beim Ökosystem. Ihr CEO Stephen Elop hat im Februar den "Krieg der Ökosysteme" ausgerufen. Wer ist die größere Bedrohung derzeit: Apple oder Google?

Das ist schwer zu sagen, da es von Land zu Land variiert. In den USA scheint Apple unheimlich stark zu sein. Aber es gibt Teile in Europa, wo Android erfolgreicher ist. Wir müssen auf beide aufpassen.

Apple ist auch erfolgreich im Tablet-Geschäft. Gibt es da von Nokia etwas Neues?

Nein.

Das war eine schnelle Antwort.

Es ist denkbar, dass, wenn man Handys baut, Tablets eine logische Erweiterung sind. Wenn man sich den Markt anschaut, besteht der aus dem iPad und alle anderen versuchen es halt. Wenn man in diesen Markt eintreten will, muss man schon etwas Besonderes haben. Wir halten da unser Pulver trocken.

Das würde aber implizieren, dass Sie bereits Pulver haben...

[Lacht] Vielleicht habe ich die falsche Formulierung gewählt.

Der US-Markt ist für Handyhersteller enorm wichtig. Nokia war bisher, wenn man ehrlich ist, dort nicht allzu präsent. Wie wollen Sie das ändern?

Wir werden mit unseren Lumia-Windows-Phones 2012 in die USA gehen, gemeinsam mit intensivem Marketing und starker Netzbetreiber-Unterstützung.

Der neue Dienst Mix Radio wird kostenlos angeboten. Wie erhalten Sie dann Geld aus diesem Geschäft? Schließlich zahlen Sie Lizenzen an die Plattenlabels.

Die Idee ist, dass der Dienst ein Kaufanreiz für unsere Geräte ist. Das haben wir schon bei unseren "Comes with music"-Geräten vor ein paar Jahren so gemacht.

Ihr ehemaliger CTO Rich Green hat mir beim Mobile World Congress im Februar erklärt, dass Akkulaufzeit eines der wichtigsten Dinge wäre, die verbessert gehören. Davon merkt man aber gerade bei Smartphones derzeit nicht so viel.

Es bedarf weiterer Verbesserungen in der Software, um den Stromverbrauch zu verbessern, und auch Neuerungen in der Batterietechnik. Einen Quantensprung gibt es derzeit aber leider nicht, das ist ein branchenweites Problem.

Inzwischen bekommen selbst die günstigeren Handymodelle Funktionen, die bisher Smartphones vorbehalten waren. Wachsen die Kategorien zusammen?

Was wir beobachten ist, dass Kunden unabhängig davon, wieviel Geld sie haben, gewisse Elemente eines modernen Mobilfunkerlebnisses haben wollen. Das kann Touch oder Apps oder Internet sein. Die technische Definition von Smartphones ist ohnehin ziemlich obskur.

Reden wir ein bisschen über die Botschaft Nokias an seine Kunden. Früher war Ihr Unternehmen sehr technikorientiert und legte Wert darauf, aufzulisten, welche Leistungsdaten neue Geräte haben. Jetzt wurde bei der Vorstellung der neuen Geräte von "Technik-Kauderwelsch" gesprochen, das man den Kunden ersparen wolle.

Aus Entwicklersicht arbeiten wir weiter stark an diesen technischen Dingen, aber das Marketing wird sich viel mehr auf das Benutzererlebnis konzentrieren. In der neuen Werbung gibt es kein Gigahertz- oder Gigabyte-Blabla mehr.

Das Betriebssystem ihrer neuen Geräte ist ziemlich Standard. Interessanterweise hat Microsofts Windows-Phone-Chef Andy Lees kürzlich gesagt, Nokia hätte mehr Freiheiten, was die Einschränkungen bei Hard- und Software betrifft, als andere Hersteller. Haben Sie für spätere Modelle vor, die Oberfläche neu zu gestalten, um sie noch stärker als Nokia-Produkt erkennbar zu machen?

Wenn man mit Microsoft-Code herumpfuscht, riskiert man, zu spät auf den Markt zu kommen. Unsere Absicht ist, auf unverändertem Microsoft-Code aufzubauen und wenn möglich neue Funktionen hinzuzufügen, etwa ein besseres Kameraerlebnis. Aber die Grundlagen würden wir nicht ändern.

Stichwort "zu spät auf den Markt kommen": Nokias Produktentwicklungszyklus wurde ja von 18 auf 12 Monate heruntergesetzt.

Die Lumia-Serie wurde in nur acht Monaten entwickelt. Offensichtlich konnten wir aber auf die Arbeit, die beim N9 schon geleistet wurde, aufbauen.

Wie viele Überstunden haben Sie aufgeschrieben?

Eine Menge. Es war kein Scherz, als Colin [Nokia Verkaufschef Colin Giles, Anm.] bei der Präsentation von E-Mails um fünf Uhr früh geredet hat.

Die Konkurrenz hat ja einen regelrecht megalomanischen Ansatz, wenn es um Touchscreen-Displays geht. HTC hat ein Gerät mit 4,7-Zoll-Bildschirm, Samsung ein Modell mit 4,65 Zoll. Haben Sie die Größe bei Ihren Geräten absichtlich kleiner gehalten oder ging es technologisch nicht besser?

Ich glaube, man muss eine Balance zwischen der größtmöglichen Bildschirmfläche und dem Komfort, wenn es in der Hand liegt, finden. Das ist für Frauenhände eine noch größere Herausforderung.

Eine persönliche Frage: Was ist Ihr typisches Nutzungsverhalten bei einem Smartphone?

Ich liebe Hardwaretastaturen und nutze mein Telefon für E-Mail, Facebook, Twitter, Maps und meinen Yahoo-Account. Ich wechsle aber viel zwischen Geräten.

Wir reden ständig über Internetdienste. Vom Telefonieren spricht kaum noch ein Hersteller. Wird es in ein paar Jahren soweit sein, dass Sie oder ein Konkurrent nur noch Handys mit reiner Datenverbindung herausbringen?

Das ist auch eine Generationensache. Ältere Menschen nutzen Telefonie deutlich häufiger. Und in den Wachstumsmärkten ist Sprachtelefonie nach wie vor wohlauf.

Ich muss zugeben, ich bin etwas verwirrt von Nokias Produktbezeichnungen...

Da sind Sie nicht der einzige!

Zuerst gab es Nummern, dann Buchstaben und Nummern, dann dreistellige Nummern und jetzt gibt es auf einmal Markennamen wie Lumia und Asha samt Nummern. Wird das nächstes Jahr wieder ganz anders sein, oder haben Sie sich endlich auf eine Marke festgelegt?

Das hat etwas mit Ihrer früheren Frage bezüglich Technologiezentriertheit gegenüber Kundenzentriertheit zu tun. Wir glauben, ein Name gibt den Produkten ein etwas menschlicheres Gefühl. Die Nummern sind immer noch relevant, was die Hierarchie anbelangt. Aber der Name gibt dem Ganzen ein bisschen den Sinn einer Familie. Unsere Absicht ist es, bei diesem Schema zu bleiben.

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