Architektur zum Kopfschütteln

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Die IG Architektur hat zu ihrem zehnjährigen Jubiläum den »planlos 2011«-Award ins Leben gerufen, um die absurdesten Planungen der jüngeren Baukulturgeschichte zu küren.

Maria Fekter, Rudi Schicker und Renate Brauner werden dieser Tage ein kleines Briefchen erhalten. Dass sie die darin enthaltenen Einladung aus Zeitgründen leider, leider nicht annehmen werden können, darf angenommen werden. Immerhin wurden die Damen und Herren der Politik für einen wohl eher unangenehmen Award nominiert – nämlich den „planlos 2011“, der, wie der Name schon verrät, die planloseste Entscheidung in der österreichischen Baukultur prämiert. Ausgedacht haben sich diese goldene Himbeere der Architektur jene Menschen, die – zumindest laut Eigendefinition – fürs Streiten und Nörgeln bekannt sind: und zwar Architekten, genauer gesagt die IG Architektur. Maria Fekter wurde übrigens für das Asylzentrum Eberau, für das sie in ihrer damaligen Funktion als Innenministerin Auftraggeberin war, nominiert. Die beiden Wiener Stadtpolitiker haben mit der (kürzlich von Bürgermeister Michael Häupl minimierten) Bebauung der Steinhofgründe die Chance auf die „planlos“-Trophäe, die am 10.November vergeben wird.

Denkmal für die Stadträtin

„Die Idee zu einem solchen Award haben wir eigentlich schon vor Jahren gehabt. Weil es immer wieder Projekte gibt, bei denen alle Regeln umgangen werden und völlig planlos gebaut wird“, sagt Bruno Sandbichler von der IG Architektur, während er sich in der Aida am Praterstern eine Melange genehmigt. Jetzt, zum zehnjährigen Jubiläum der Interessensgemeinschaft, habe sich endlich ein passender Anlass für den Preis ergeben, ergänzt sein Kollege Michael Anhammer, ebenfalls Sprecher der IG Architektur.

Dass man sich ausgerechnet in einem Kaffeehaus am Praterstern zum Gespräch trifft, kommt nicht von ungefähr. Denn eines der insgesamt 46 nominierten Projekte liegt ganz in der Nähe und empfängt dort tagtäglich Hunderte Besucher: der Pratervorplatz. „Da ist einfach alles schiefgegangen. Es hat keine Planungsausschreibung gegeben, dann wurde eine Firma beauftragt, die unfähig war, das abzuwickeln, und im Endeffekt musste die Stadt Wien einspringen, um das Ganze ein zweites Mal zu finanzieren. 60Millionen Euro und herausgekommen sind Pappe und Plastik. Und ein persönliches Denkmal für die Stadträtin“, sagt Sandbichler in Anspielung auf die damalige Vizebürgermeisterin Grete Laska, die kurz nach dem Debakel in Pension gegangen ist.

Solidarität statt streiten

Unter die Finalisten des „planlos“-Awards hat es der Pratervorplatz nicht geschafft. Eine Jury aus drei Architekten und fünf Nichtarchitekten (von Rechtsanwältin Petra Rindler bis zum Autor und Zeichner Tex Rubinowitz) hat den Kindergarten im Stadtpark, das Asylzentrum in Eberau und die Wiener Steinhofgründe zu den drei Favoriten gewählt. Es gehe bei dem Award nicht um architektonische Qualität – selbst wenn es sich um den Pratervorplatz handelt –, sondern darum, fragwürdige Wettbewerbe, undurchsichtige Vergaben oder nicht nachvollziehbare Entscheidungen aufzuzeigen.

„Wir wollen niemanden an den Pranger stellen, sondern einen Diskurs anregen“, sagt Anhammer. Das gilt nicht nur für den „planlos“-Award, sondern auch generell für das Schaffen der IG Architektur. Man setze auf Solidarität und ein neues Selbstbewusstsein des Berufsstandes, berichtet Sandbichler über den Verein, der mittlerweile 250 Mitglieder fasst. „Ein ganz klassischer Ausspruch ist ja, dass die Architekten so gerne streiten – miteinander. Davon haben natürlich viele Auftraggeber gut gelebt. Mit der IG gibt es erstmals Wettbewerbe, bei denen sich Teilnehmer solidarisieren und die Bedingungen neu verhandeln. Früher hat es immer einen gegeben, der es noch billiger gemacht hat.“

Konzepte für die Schublade

Die IG Architektur fordert von den Auftraggebern nicht nur klare und faire Regelungen bei Wettbewerben, sondern auch Transparenz bei den Entscheidungen. So wurde etwa bei dem Kindergarten im Stadtpark ein offener Wettbewerb ausgerufen, bei dem rund 100Büros teilnahmen. „Dann gab es aber keinen ersten Platz, sondern nur einen zweiten. Anstatt dem Zweitplatzierten aber eine Chance zur Überarbeitung zu geben, gab es einen zweiten, nicht offenen Wettbewerb, bei dem man sich die zehn Teilnehmer gleich selbst aussuchte“, sagt Sandbichler. Für die Teilnehmer des ersten Wettbewerbs bedeutete das wie so oft: ein weiteres Konzept für die Schublade und Kosten zwischen 5000 und 10.000 Euro.

„85Prozent der Architekturbüros sind Kleinstunternehmer mit weniger als fünf Personen. Die Wettbewerbe sind aber darauf überhaupt nicht abgestimmt“, so der Architekt. Generell werde aus Angst vor Kontrollverlust auf die Regelungen, Bestimmungen und rechtlichen Absicherungen bei Einreichungen immer mehr, während auf den Inhalt eher wenig Wert gelegt werde. So wurde beim Kindergarten im Stadtpark „das pädagogische Konzept nicht näher erläutert, dafür verlangt, dass es ein Passivhaus ist und Denkmalschutz, Gender Mainstreaming, Barrierefreiheit, den Baumbestand und die Wirtschaftlichkeit berücksichtigen soll“, so Anhammer. Sein Kollege formuliert das Problem ganzheitlicher: „Die Stadtentwicklung wird von Investoren vorangetrieben, und die Stadtplanung läuft hinterher. Dabei sollte es ja umgekehrt sein.“

www.planlos2011.at

Der Award
Die IG Architektur feiert ihr zehnjähriges Jubiläum mit dem „planlos“-Award, der ab heuer alle zwei Jahre verliehen werden soll. Im Oktober konnten Vorschläge für die planloseste Entscheidung der österreichischen Baukultur eingereicht werden. Eine achtköpfige Jury hat unter den 46Nominierten die Top drei gewählt. www.planlos2011.at

Die Verleihung
Der „planlos 2011“ wird am 10.November (19.30Uhr) bei der 10-Jahres-Gala im Wiener Gartenbaukino vergeben. Der Eintritt ist frei, Anmeldungen an redaktion@ig-architektur.at

Dass sich das mit dem „planlos“-Award schnell ändern wird, können die beiden nur hoffen. „Es geht uns neben Vielfalt und Offenheit bei Prozessen ja auch um ein lustvolles Herangehen. Es muss nicht alles so bierernst sein“, so Anhammer. Hoffentlich sieht das der Gewinner ähnlich, wenn er am Donnerstag die acht Kilo schwere Trophäe nach Hause trägt. Wenn er denn zur Verleihung erscheint ...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2011)

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