Tod in Klinik: Türkei-Konsulat schaltet sich ein

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Nach dem Tod der dreijährigen Azra befasst sich jetzt auch das türkische Generalkonsulat mit dem Fall. Indes fordern die Oppositionsparteien Liste Fritz und Grüne die Aufklärung über die politische Verantwortung.

Wien. Die Innsbrucker Kinderklinik wird nach den zuletzt bekannt gewordenen angeblichen Behandlungsfehlern zunehmend zum Politikum. Für den heutigen Mittwoch haben die Verantwortlichen der Klinik und des Landes Tirol die Präsentation von „Akutmaßnahmen“ angekündigt, die bereits in den kommenden Tagen umgesetzt werden sollen. Mittlerweile hat sich in den Fall Azra auch das türkische Generalkonsulat in Salzburg eingeschaltet.

Das dreijährige türkische Mädchen war vor drei Wochen nach einem Routineeingriff, in dessen Verlauf es mit dem Narkosemittel Propofol behandelt wurde, gestorben. „Wir verfolgen die Ereignisse in der Innsbrucker Kinderklinik nach Azras Tod sehr aufmerksam und haben den Fall auch dem türkischen Außenministerium sowie der Botschaft in Wien weitergeleitet“, so Vizekonsulin Pinar Yapici. „Da es sich bei Azras Familie um türkische Staatsbürger handelt, gehört es zu unseren Pflichten als Generalkonsulat, ihr zur Seite zu stehen und dafür zu sorgen, dass ihr die Unterstützung zukommt, die sie braucht.“ Inwiefern das Konsulat der Familie bereits geholfen habe, könne sie aus Datenschutzgründen nicht sagen. „Aber wir stehen in ständigem Kontakt zum Vater des Mädchens und werden die Öffentlichkeit informieren, wenn er das wünscht.“

Azras Vater ist derweil am vergangenen Donnerstag aus der Türkei, wo er seine Tochter beerdigt hat, zurückgekehrt und habe übermorgen, Freitag, einen Termin bei der Staatsanwaltschaft. Bereits gestern, Dienstagabend, stand ein Treffen mit seinem Anwalt Thomas Juen auf dem Programm, um über die weitere Vorgehensweise – unter anderem eventuelle Schadenersatzansprüche – zu sprechen. Die Bestattungs- und Reisekosten in die Türkei hat im Übrigen die Klinik Innsbruck übernommen. „Die Familie hat uns darum gebeten und wir sind der Bitte nachgekommen, das ist nicht der Rede wert“, so Klinik-Sprecher Johannes Schwamberger.

Opposition bringt Dringliche ein

Unterdessen herrscht gespanntes Warten auf die angekündigten Maßnahmen, die am Mittwoch um zehn Uhr präsentiert werden sollen. Die Unglücksfälle der letzten Zeit hätten „zahlreiche Gespräche“ zur Folge gehabt, in denen man vor allem zwei Schwachstellen geortet hätte, teilte Stefan Deflorian, Vorstandsdirektor des landeseigenen Krankenhauserhalters Tilak, am Montag mit. Zum einen sei dies die Kommunikation und Kooperation zwischen den Kliniken, zum anderen die Personaleinsatzplanung an der Kinderklinik. Ungefähr zur selben Zeit werden am Mittwoch im Landtag die Oppositionsparteien Grüne und Fritz Dinkhausers Liste Fritz eine Dringliche Anfrage zur Klärung der politischen Verantwortung einbringen. „Als Vater und Großvater bin ich von den tragischen Vorfällen an der Kinderklinik besonders tief betroffen“, sagt Dinkhauser der „Presse“. „Unfassbar ist nicht, dass an einer Klinik etwas passieren kann, sondern die Art, wie die Verantwortlichen damit umgehen.“ Es gehe nicht um einen Fehler dort und da oder um Kommunikationsschwierigkeiten, sondern „um den strukturellen Scherbenhaufen“ an der Klinik. „Die Spitze des Eisberges sind die tragischen Vorkommnisse an der Kinderklinik. Es ist zu klären, wer verantwortlich ist.“ Er unterstelle Management und Landesregierung bewusstes Kaputtsparen. „Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg und Landeshauptmann Günther Platter (beide VP) haben beim 100-Prozent-Landesunternehmen Tilak zu 100 Prozent Verantwortung zu übernehmen.“

Platter sprach seinem Landesrat am Dienstag jedenfalls volle Unterstützung aus. Eine lückenlose Aufklärung sei dringend notwendig. Die Vorfälle würden einen Schatten auf den medizinischen Standort Tirol werfen. Die Kommunikation gegenüber Betroffenen und Öffentlichkeit müsse verbessert werden. Zudem brauche es rasch eine Strukturbereinigung, um das Vertrauen der Menschen in die Kinderklinik wiederherzustellen.

Auf einen Blick

Klinik Innsbruck. Nach dem Tod der dreijährigen Azra und angeblichen weiteren Behandlungsfehlern fordern die Tiroler Oppositionsparteien Liste Fritz und Grüne Aufklärung über die politische Verantwortung. Gemeinsam werden sie am Mittwoch im Landtag eine Dringliche Anfrage an Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (V) einbringen. Darüber hinaus hat sich in den Fall Azra jetzt auch das türkische Generalkonsulat in Salzburg eingeschaltet und will der Familie des türkischen Mädchens zur Seite stehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2011)

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