Kurt Palms Weltekel-Theater: „Bad Fucking“ in Linz

(c) Clemens Fabry
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Eine niederschmetternde Uraufführung. Der gewitzte Autor und Regisseur, schleudert im Theater Phönix der österreichischen Provinz in einer Groteske seine Verachtung entgegen.

Nein, Bad Fucking spricht man nicht englisch aus: Das hält Bürgermeister Aloysius Hintersteiner deutlich fest, bevor er seinen unterdrückten Sohn aufs Klo zum Putzen schickt und, der Gaudi zuliebe, zwei ordinäre Stanzeln singt, eine über Pfarrer, eine über Nonnen. Über den Zahnarzt des Ortes hätte er auch eine Strophe singen können, denn der zahlt der Putzfrau dafür, dass er sie „ausgreifen“ und zwischen den Beine fotografieren darf, worauf sie ihn erpresst.

Genug der Nacherzählung der Unanständigkeiten, die Kurt Palm einem zumutet. Der gewitzte Autor und Regisseur, der 2009 der Kulturhauptstadt Linz die böse Satire „Der Zwerg ruft“ gewidmet hat, schmettert nun, ebenfalls im Theater Phönix, der (ober-)österreichischen Provinz in einer Groteske seine Verachtung entgegen.

Apokalypse mir Aalen

Das äußert sich erstens in manischer Beschwörung des Ekels: In „Bad Fucking“ ist von Beginn an alles voller Kot, Erbrochenes kommt dazu, sowie eine Leiche nach der anderen, schließlich sind wir in einem Krimi. Zweitens in ebenso manischem Abspulen aller Ungustl-Stereotypen, die einem bei schlechtestem Willen zum Thema Kleinstadt einfallen. In diesem Stück sind alle blöd und fast alle gemein, zuvörderst natürlich der Bürgermeister, der das Gemeindevermögen verspekuliert hat und nur sein eigenes Geld retten möchte. Die drei Demonstrantinnen, die antikapitalistische Slogans skandieren, sind genauso peinlich wie die drei (von denselben Schauspielerinnen verkörperten) Cheerleader-Girls. Sympathisch ist höchstens die Putzfrau, Ideale hat nur einer: der unbeholfene Gendarmeriekommandant mit der Kastratenstimme und den Ministranten-Fantasien. Er träumt von der Rettung der Aale – und der Welt durch die Aale. Am Ende, nachdem fast alle getötet sind und der Innenministerin (originellerweise als „Sperrmüll-Mitzi“ tituliert) die Zunge gespalten worden ist, überschwemmen die Aale den Ort und töten auch den Mann, der sie gerufen hat.

Dieser apokalyptische Schluss hat etwas, keine Frage, er überhöht den physischen Ekel des Stücks quasi im metaphysischen Ekel. Man versteht: Nichts ist heilig, denn auch das Heilige ist nichtig.

Ensemble und Regie unterstützen Kurt Palm nach Kräften, lassen keine Klischees aus und überzeichnen sie noch, von den Pickeln des Sohnes bis zum Achselhaar-Toupet des dicken Cheerleader-Girls. So kann man das „Trash-Theater“, das Palm vorhatte, wohl geglückt nennen: Es graust einem.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2011)

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