Hotdog: Die Wurst als Vehikel

Das Modell Hotdog wird rund um den Planeten ganz unterschiedlich zelebriert. Meist ist die Wurst darin sogar nur Nebensache.

Das Brot ist die Klammer, die das Konzept zusammenhält. Dazwischen wird geschaufelt, gelegt, gesteckt, was das weiche Weckerl hält. Würstel allemal. Davon findet man gute zuhauf in Österreich. Aber wer vernünftige Hotdogs will, muss in die weite Welt. Denn die österreichischen Varianten beweisen nur, dass das Prinzip im Grunde verstanden wurde. Nicht mehr.

In Dänemark verschwinden die Würstel nicht in weichen Brothöhlen. Sie betten sich in zwei Brothälften. Und decken sich zu mit knusprigen Röstzwiebeln, Gurkenscheiben, süß-sauren. Darüber legen sich in Streifen Ketchup, Senf, Mayonnaise, nach Bedarf. Die Färöer-Inseln legen noch mal Rotkraut nach. Und nein, das nächstgelegene schwedische Möbelhaus ist kein Ersatz-Dänemark. Die Hotdogs dort sind arme, kleine Würstchen. In Deutschland hingegen spürt man schon die dänische Einflusssphäre. Auf Rockfestivals genauso wie in der Kleinstadt an so mancher Würstchenbude. Mit Frankfurtern werden sie dort zwar gemacht, und nicht mit der Røde Pølse, der typischen, furchteinflößend rot eingefärbten dänischen Wurst. Oder man wartet zu Hause, ob das Dänische Kulturforum in Wien wieder einen Tag des dänischen Hotdogs veranstaltet wie im letzten Jahr. 

Nostalgiereise. Wer zur Wiege will, der muss über den Atlantik. Auf Coney Island soll es geboren worden sein, das Hotdog. Die Trash-Nostalgie ist noch heute dort zu Hause. Die New Yorker kommen wieder zahlreich an den Strand. Auch, weil dort seit 1871 das Prinzip „Wurst in Brötchen inklusive Sauerkraut“ bezeugt ist. Das berühmteste Hotdog trägt das „berühmt“ im Namen: Nathan’s Famous verkauft seit 1916 das typische New Yorker Modell, das schlichte: Wurst, Bun, sonst nix. Außer Senf und Ketchup, die „the Wiener“ entlangmäandern dürfen. Zur New-York-Erfahrung gehört es noch irgendwie, sich irgendwo am morschen Holzsteg niederzulassen. Dahinter rattert die alte Achterbahn. Der Senf, grellgelber als anderswo, tropft aufs weiße Hemd. Am Unabhängigkeitstag, dem 4. Juli, tropft noch mehr als der Senf: Das jährliche Hotdog-Wettessen in Coney Island wird zum Spektakel. Der Rekord liegt bei 68 Stück. Der normale Besucher braucht nicht mehr als eines, um festzustellen: gut, dass das Konzept seine Wiege verlassen hat, um anderswo besser zu werden.

Geburtshelfer sollen ja eingewanderte Deutsche gewesen sein, sie stehen bei Wurst- und Fleischdingen in den USA unter Generalverdacht. Sogar der Name könnte Deutschen geschuldet sein, oder besser: dem wurstartigen Hund, dem Dackel, den sie mitgebracht haben. Sagt zumindest die Legende.
Weiter im Süden des Kontinents führt die Reise in Richtung Hotdog-Perfektion. Hotschi Doggi sagen die Brasilianer. Anders bekommen sie’s nicht über die Lippen. Lieber sagen sie ohnehin „Cachorro Quente“. In jedem Fall wird es zum Behältnis umfunktioniert, zur Tragwerksstruktur für alles, was einem Brasilianer einfallen könnte, dort aufzuladen. In der Standardausführung schaufelt man Riesenmengen an Kartoffelpüree, klein gehackten Tomaten, Kartoffelchips drauf.

Das Würstel selbst versinkt, geschmacklich zu Recht, unsichtbar in der Bedeutungslosigkeit, unter der Last der Dinge. Und unter unzähligen Soßen sowieso, gern auch unter Catupiry, dem Tuben-Quetsch-Käse, der fast so brasilianisch ist wie Bossanova. Beim ersten Anlauf kann das unmöglich in die Mundhöhle passen. Ein Plastiksackerl rundherum fängt auf, was fällt. Und ein Plastiklöffel wird gereicht, um abzugraben, was das Würstel versteckt.
Argentinien, noch weiter im Süden, dürfen Hotdog-Connaisseure überspringen. Hochmut herrscht dort.

„Pancho“ heißt alles, was nach Hotdog aussieht. Und meist sogar mit dem „Super“-Präfix voran. Obwohl dort kompositorisch österreichische Verhältnisse herrschen. Eine Verhöhnung für das, was jenseits der Anden, in Santiago de Chile, wartet. Auf der Plaza de Armas, unter den Arkaden, ist die Hotdog-Herrlichkeit zu Hause. Avocadocreme häuft sich auf der Wurst, klein gestückelte Tomaten ebenso. Dazu trinkt man den kongenialen Partner, das chilenische Crystal-Bier, beides gibt es in unzähligen Bier-Hotdog-Ketten. „Completo“ nennen die Chilenen ihre Hot Dogs, zu Recht. Obwohl man meist noch unter Dutzenden Zu- und Beilagen wählen darf, die all das noch sprichwörtlich toppen.

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